E3 2013, Babes & die Spielepresse: Eine Momentaufnahme

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„Was wäre eine Videospielmesse ohne hübsche Damen in aufreizender Kleidung, die sich an den Ständen räkeln?“ (Quelle: PCGames.de)

Im Wesentlichen: eine Videospielmesse. Nichtsdestotrotz tauchen ebenso zuverlässig wie die mannigfaltigen Meinungsschnipsel zu den neuesten Hard- und Software-Veröffentlichungen anlässlich jedes größeren Messe-Events auch Bildstrecken mit mal mehr, mal weniger knapp bekleideten Damen auf, deren Bezug zum beworbenen Produkt oftmals nicht einmal mehr mit Wohlwollen und zugekniffenen Augen ersichtlich ist.

Die lokale Frauenquote und ihren Umsatz steigernd – so jedenfalls die Theorie – entsenden die Vertriebe alljährlich Heerscharen junger Frauen, um den Durchschnittsspieler anzulocken, der dem Mythos zufolge nach wie vor weiß, männlich, heterosexuell und chronisch unterfickt ist. Auch zahlreiche Vertreter prominenter Fachpublikationen schleichen gierig um den Honigtopf. Gestandene Spiele-Journalisten outen sich in ihren kulturell wertvollen Rückblicken auf die längsten Beine und die größten Titten selbst als pubertär und übereifrig auf sexuelle Stimuli reagierend – im Wesentlichen also als Opfer jener Marketing-Mechanismen, hinter deren aufreizende Fassade zu blicken ihre Aufgabe ist oder sein sollte. Stattdessen werden in den Bildfolgen, deren Inhalte sich, ebenso wie die sekundären Geschlechtsmerkmale der Messe-Hostessen, nur selten voneinander unterscheiden, stets auch die eben dort wohlplatzierten Logos neuer Titel und altbekannter Firmen eingebunden.

Dass angesichts der immer häufiger diskutierten Frage nach Sexismus in Spielen noch immer Bild- und Videomaterial mit Titeln beworben wird, die nie spürbar vom journalistischen Klassiker „Die heißesten Messe-Babes“ abweichen, ist nicht nachvollziehbar. Während an der einen Stelle Spieler_innen wie Entwickler_innen darum bemüht sind, stereotype Darstellungsformen endlich zu überwinden und Frauen – sei es in Virtualität oder Realität – einen festen Platz einzuräumen, der nicht bloß der Zuschaustellung weiblicher (bzw. der Attraktion männlicher) Sexualität dient, wird Weiblichkeit zugleich mit unveränderter Beharrlichkeit als plumpes Marketing-Material instrumentalisiert und dieses Vorgehen beunruhigend selten hinterfragt.

Während die Tatsache, dass in der internationalen Fachpresse der Anteil entsprechender Artikel im Vergleich zu den Vorjahren deutlich zurückgegangen ist, eben diesem intensiven Diskurs geschuldet sein könnte, ist der Blick auf die deutsche Medienlandschaft ernüchternder: Zwar hat die Prominenz von Galerien, die sich auf die Zurschaustellung nackter Haut konzentrieren, merklich abgenommen – etwa im Falle von GamersGlobal und GameOne, die auf die Einbindung entsprechender Inhalte verzichtet haben – doch grade bei denjenigen, die sonst nicht müde werden, die institutionalisierte Kompetenz ihrer Redaktionen vehement zu verteidigen, hat sich nur wenig geändert. Was in themenbezogenen Publikationen des Springer-Verlags nicht überraschen mag, wird hier erstaunlicherweise nicht nur quantitativ über-, sondern im Niveau deutlich unterboten.

Unsere Redakteure waren sich nicht zu schade, die Kamera voll draufzuhalten und die netten Damen aus jedem möglichen Winkel abzufilmen, bevor sie von den Sicherheitskräften der Veranstalter in einem Hinterzimmer eingeschüchtert und anschließend der Messe verwiesen wurden.“ (Quelle: PCGames.de)

Wenn sexuelle Belästigung als humorvolle Anekdote präsentiert wird, verabschiedet sich nicht nur der journalistische Anspruch, sondern auch das Moralempfinden. Wenn den Messe-Hostessen keinerlei Privatsphäre zugestanden und das beharrliche Eingreifen der Sicherheitsdienste bei deren offensichtlicher Übertretung als spaßbremsende Maßnahme deklariert wird, erscheint die Grenze von Fleischbeschau zum Stalkertum fließend. Dass Bildergalerien unverhohlen als „Lustgrotten“ präsentiert werden, steigert das generelle Unbehagen ins Unermessliche.

So verkommen Internetseiten über Video- und Computerspiele saisonweise zu Plattformen, auf denen sowohl Sexismus als auch dem längst totgeglaubten Klischee nerdiger, notgeiler Spieler ein fester Platz eingeräumt wird. Auf diese Weise schieben die Redaktionen nicht nur weibliche Interessenten ins Abseits, sondern bestärken effektiv gegenüber ihrer Leserschaft präsente Vorurteile – Vorurteile, die sie in anderen Diskursen aufs heftigste verneinen.

Obwohl dieser Trend insgesamt rückläufig ist, demonstrieren ausgerechnet die auflagenstärksten unter den deutschsprachigen Magazinen eine deutliche Tendenz zur konservativ-sexistischen Degradierung von Frauen zu dekorativen Elementen, die angesichts gleichzeitiger Bemühungen, in der Sexismus-Debatte mitzuwirken, schizophren erscheint. Abermals wird deutlich, dass die lokalen Fachpublikationen der internationalen Konkurrenz weder visuell noch inhaltlich standhalten können, und sich dieser Tatsache entweder nicht bewusst, oder resignierend dazu übergangen sind, im Stillstand zu verharren, anstatt die beständige Weiterentwicklung des Mediums „Spiel“ in sich zu reflektieren.

Es ist an der Zeit, endgültig Abstand von dem Gedanken zu nehmen, dass etwas, „was seit Urzeiten dazugehört“, bestehen bleiben muss. Würden wir diesem Prinzip konsequent folgen, gäbe es keinerlei Fortschritt: Weder sozialen noch technischen. Und das kann nicht ernsthaft in unser aller Interesse sein. Der Wunsch nach Veränderung zeigt sich immer häufiger auch in der Spiele-Branche und in den damit verknüpften Medien. Die Messe-Betreiber der PAX und der Eurogamer-Expo haben sich explizit dagegen entschieden, den Einsatz der „Booth Babes“ zu gestatten und damit ein Zeichen gesetzt: Für eine Rückbesinnung auf die zu bewerbenden Spiele-Inhalte und gegen Sexismus. Nun gilt es, diesen Umbruch voranzutreiben und der irrigen Annahme, dass nur die Nachfrage entsprechende Angebote generiere, etwas entgegenzusetzen.

Das Medium entwickelt sich weiter, wird erwachsen. Es ist daher an der Zeit, die jugendlichen Altlasten abzulegen, auf dass der künstlich erhaltene Bruch zwischen Männlichkeit und Weiblichkeit endlich überwunden und der Fokus wieder auf etwas gelegt werden kann, was gute Spiele auch ohne die plumpe Instrumentalisierung von Sexualität generieren sollten: Freude am Spiel.

Dieser Text ist ursprünglich auf Superlevel.de erschienen.

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