Nora Beyer hat mich erneut interviewt, diesmal zu den Themen “Cyberpunk 2077”, (Hyper-)Sexualität und Körperbilder. Der Artikel wurde auf gamestar.de veröffentlicht (ist allerdings nur Abonnent*innen in voller Länge zugänglich): https://www.gamestar.de/artikel/cyberpunk-2077-hypersexualitaet,3382337.html
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In “Knick Knack”, der neuen Webserie von Arte, dreht sich alles um mediale Darstellungen von Sex (und wie sie uns beeinflussen). Ich wurde als Expertin für digitale Spiele interviewt, um einen kurzen Überblick über die Darstellungskonventionen im Medium zu geben.
Die Folgen sind bereits alle online und können in der Mediathek abgerufen werden: https://www.arte.tv/de/videos/RC-022068/knick-knack/
– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –Für die Online- und Printausgabe der Game Star hat die Journalistin Nora Beyer einen umfangreichen und exzellent recherchierten Artikel über Toxizität und Diskriminierung in der Spieleindustrie verfasst, zu dem ich im Rahmen eines Interviews auch ein paar Worte beisteuern durfte:
“Nina Kiel will nicht Sexpertin genannt werden, aber Tatsache ist: Sie ist in Deutschland die einzige Expertin für Sex und Erotik in Computerspielen. Wieso darüber in der medialen Öffentlichkeit so wenig gesprochen wird und welche Auswirkungen das auf die Spiele und auch auf unsere eigene Sexualität hat, erklärt sie im Interview.”
Das vollständige Interview ist für Abonnent*innen der Berliner Zeitung auch online abrufbar: https://www.berliner-zeitung.de/wochenende/wieso-gibt-es-in-computerspielen-so-viel-mehr-gewalt-als-expliziten-sex-li.159871?pid=true
(29.05.2021)
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Videospiele: Die Probleme mit der Sexualität
Ich hatte die Gelegenheit, in einem Beitrag für das Arte-Journal über die Darstellung von Sexualität in digitalen Spielen zu sprechen. Dieser ist hier abrufbar: https://www.arte.tv/de/videos/103436-000-A/videospiele-die-probleme-mit-der-sexualitaet
(23.04.2021)
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Rise of the Games-Entwicklerinnen
Für die aktuelle Ausgabe von “Film und Medien NRW”, dem Magazin der hiesigen Film- und Medienstiftung, habe ich mich zusammen mit anderen Games-Expert*innen zu den Themen Frauen in der Branche, Diversität im Indie-Bereich und zum Spielestandort Deutschland geäußert.
Das Magazin kann hier heruntergeladen werden, der Beitrag beginnt auf Seite 22.
(01.03.2021)
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Esports – junge Szene, alte Fehler
“Der Esport kennt keine Geschlechtertrennung. Aber im Profibereich spielen fast ausschließlich Männer. Wie lässt sich das ändern?”
Für den E-Sport-Podcast “Game Changer” habe ich mit Tim Pommerenke über Frauen im E-Sport, Zugangshürden und verpasste Chancen gesprochen. Die Folge kann man sich hier anhören: https://www.spiegel.de/sport/esports-wie-es-die-gaming-szene-frauen-schwer-macht-a-7ad88e94-833d-4424-ab1d-2bf68085349e
(19.02.2021)
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Zündfunk Netzkongress
Im Rahmen des diesmal ausschließlich digital abgehaltenen Zündfunk Netzkongresses des Bayerischen Rundfunks hatte ich die Gelegenheit, mit der Journalistin Katja Engelhardt über die Darstellung von Sex in digitalen Spielen zu sprechen. Sowohl das Interview allein als auch der (sehr interessante) Gesamtbeitrag können aktuell noch online abgerufen werden.
https://www.br.de/radio/bayern2/sendungen/zuendfunk/gespraech-nina-kiel-sex-in-spielen-100.html
https://www.br.de/netzkongress/index.html
(23.10.2020)
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08.10.2020
Sind Games sexistisch? Wie Entwickler*innen das Spiel verändern
Für die im Hessischen Rundfunk ausgestrahlte Dokumentation über Diversität und Geschlechterrepräsentation im Gaming-Kontext wurde ich als Expert*in interviewt. Der Beitrag kann aktuell noch in der ARD-Mediathek abgerufen werden:
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08.03.2020
Vom Sexobjekt zur starken Heldin: Wie sich das Frauenbild in Games verändert hat
Daniel Koller hat für derstandard.at einen Artikel über das sich wandelnde Frauenbild in digitalen Spielen verfasst und mich zum Thema interviewt: https://www.derstandard.at/story/2000115389395/vom-sexobjekt-zur-starken-heldin-wie-sich-das-frauenbild-in
Anbei das Interview in voller Länge:
Inwiefern hat sich das Frauenbild in Games verändert und wieso?
Das Bild der Frau im Medium hat sich gerade in den letzten zehn Jahren zunehmend ausdifferenziert, sie bekleidet heute häufiger tragende Rollen, tritt außerhalb stereotyp femininer Kontexte auf, weist auch mal Ecken und Kanten auf. Angetrieben wurde diese Entwicklung auf mehreren Ebenen – der Konsumebene, der Produktionsebene und der Diskursebene – die ineinandergreifen und sich gegenseitig beeinflussen. Auch wenn Frauen immer schon Teil der Spielerschaft waren, treten sie seit einiger Zeit deutlicher wahrnehmbar als Konsumentinnen auf, besuchen Spielemessen, sind in sozialen Medien aktiv und geben ebenso wie männliche Spieler Feedback an Studios zurück, wenn sie mit einem Produkt zufrieden sind oder Verbesserungsbedarf sehen. Zugleich streben immer mehr Frauen in die Spieleentwicklung, wie Marktdaten und auch Einschreibungsstatistiken an Hochschulen mit entsprechenden Bildungsangeboten zeigen. Die Verfügbarkeit kostenloser und leicht zu bedienender Tools hat die Zugangshürden hier deutlich gesenkt und ermöglicht es insbesondere Angehörigen bislang unterrepräsentierter Gruppen, mit relativ überschaubarem Aufwand ihre eigenen Geschichten zu erzählen und Rollenbilder zu erschaffen, mit denen sie sich identifizieren können. Gerade in dieser “Indie”-Szene ist viel Diversität zu finden, sowohl in den Teams als auch ihren Spielen. Und zuletzt ist der kritische Diskurs um Geschlechterrollen in Spielen, den es im akademischen Kontext schon seit den 90er Jahren gibt, mittlerweile in der öffentlichen Wahrnehmung angekommen. Es findet dadurch mehr Sensibilisierung statt.
Ist es für SpielerInnen wichtig, wenn sie in Games repräsentiert werden?
Ja, und nicht nur im Hinblick auf ihr Geschlecht. Repräsentation – natürlich insbesondere auf gesellschaftlicher und politischer, aber eben auch auf medialer Ebene – kann Menschen das Gefühl geben, ein fester und akzeptierter Teil der Gesellschaft zu sein. (Je nach Form und Qualität der Repräsentation kann sie Menschen sogar Möglichkeiten aufzeigen und neue Wege eröffnen, das gilt insbesondere für Frauen und Bereiche, in denen sie unterrepräsentiert sind, zum Beispiel technische Berufe. Das Geena Davis Institute on Gender in Media hat das in seinem Slogan sehr schön zusammengefasst: “If she can see it, she can be it.”) Natürlich sind Medien im Allgemeinen und digitale Spiele im Speziellen nur ein Faktor unter vielen, der die Selbst- und Fremdwahrnehmung von Personengruppen beeinflussen kann, aber ihre Bedeutung sollte nicht unterschätzt werden, denn gerade der Medienmainstream nimmt Tag für Tag Einfluss auf unser Weltbild.
Vor allem für Mitglieder marginalisierter Gruppen kann es ein tolles und wichtiges Erlebnis sein, in einem Spiel Figuren anzutreffen, die ihnen ähnlich sind – das gilt ganz besonders für spielbare Charaktere, in deren Rolle man sich Herausforderungen stellen und diese meistern kann. Ein solches Gefühl von “agency”, also von Handlungsfähigkeit bzw. Handlungsmacht, ist gerade dann von großer Bedeutung, wenn man es im Alltag eher selten erlebt. Diese Form von Eskapismus, die weißen Männern nun schon seit Jahrzehnten geboten wird, wünschen sich auch andere Menschen.
Rollenvielfalt ist aber nicht nur von Vorteil für diejenigen, die dadurch mehr Repräsentation erfahren. Digitale Spiele bieten uns die besondere Möglichkeit, in Rollen zu schlüpfen, die uns persönlich fremd sind, und die (virtuelle) Welt mit neuen Augen zu sehen. Das kann eine spannende und bereichernde Erfahrung sein.
Braucht es überhaupt eine realistische Repräsentation, da im Grunde viele Games eine gewisse Fantasiewelt mit sich bringen?
Die Kritik an weiblichen Rollenbildern zielt in aller Regel nicht darauf ab, Realismus auf allen Ebenen zu fordern – es geht nur um mehr Differenzierung, ein breiteres Angebot unterschiedlicher Entwürfe von Weiblichkeit. In diesem breiten Angebot hätte die erste Iteration von Lara Croft von 1996 mit ihren Barbie-Proportionen ebenso Platz wie die realitätsnähere Neuauflage von 2013, um ein konkretes Beispiel zu nennen. Ich und viele Kolleg_innen plädieren einfach nur für mehr Diversität, für vielfältigere Rollenvorbilder, die mal nah an der Realität sein können und mal extrem weit davon entfernt.
Es stellt sich aber immer auch die Frage, wessen Fantasien in Spielen eigentlich reproduziert werden, und bisher waren es vor allem die heterosexueller Männer – oder das, was man dafür hält.
Fantasieszenarien könnten ja zum Beispiel auch Frauen, queere Menschen, People of Colour und Personen mit körperlichen Einschränkungen in Kontexten abbilden, in denen sie in der Regel unterrepräsentiert sind, und dort mit besonderen Kompetenzen ausstatten. Interessanterweise wird aber bei der Vorstellung solcher Szenarien von einem gewissen Teil der Spielerschaft, der sonst auf die Realitätsferne von Spielen, auf Eskapismus und darauf beharrt, dass “Spiele doch nur Spiele” seien, plötzlich lautstark und vehement Realismus gefordert.
Wieso wurden weibliche Spielfiguren so lange übersexualisiert?
Dafür gibt es mehrere Gründe. Zunächst wurden und werden Frauen in den Medien generell gerne als erotisches Anschauungsmaterial präsentiert, dementsprechend ist es nicht weiter verwunderlich, dass entsprechende Darstellungen dann auch in digitalen Spielen Einzug hielten. Gerade dort waren sie allerdings besonders verbreitet, bedingt durch die starke Fixierung auf (heterosexuelle) Männer als Kernzielgruppe. Ab der Mitte der 80er Jahre – nachdem auf dem Spielemarkt eine Übersättigung gerade mit minderwertigen Produkten eingesetzt hatte und er in Folge in sich zusammengebrochen war – beschloss man eine Neuausrichtung der Industrie und eine Zielgruppenverkleinerung, um so zielgerichteteres Marketing betreiben zu können. Bis zu diesem Punkt zeigten Werbeanzeigen für Video- und Computerspiele oft ganze Familien, die gemeinsam spielten – inklusive Mutter und Tochter. Im Rahmen der neuen Werbeoffensive bekleideten Frauen plötzlich andere Rollen: Mütter waren die strengen Hausdrachen, die ihre Söhne und Männer am Spielen zu hindern versuchten. Mädchen lenkten ihre Freunde beim Zocken ab und wurden als zu inkompetent dargestellt, um selbst zu spielen. Und darüber hinaus dienten Frauen vor allem als ästhetisches oder erotisches Schmuckwerk – weil man eben annahm, dass das die Zielgruppe ansprechen würde. Entsprechend wurden dann auch die Rollen von Frauen in Spielen angepasst: Sie waren oft Opfer, Trophäen, und Pin-Ups.
Dazu sei aber gesagt, dass es auch damals schon kompetente und nicht-sexualisierte Frauenfiguren gab, sie stellten bloß die Minderheit dar.
Ist dies heute immer noch so?
Vor allem der starke – und starre – Fokus auf Ästhetik ist auch heute noch präsent. Anders als ihre männlichen Kollegen, sind weibliche Heldenfiguren fast ausnahmslos konventionell schön, sehr jung und tragen mitunter immer noch knappe Kleidung, die für den jeweiligen Handlungskontext überhaupt nicht geeignet ist. Gerade letzteres wird aber allmählich seltener und generell ist eine Diversifizierung des Frauenbildes in digitalen Spielen zu beobachten, auch wenn sie langsam vonstatten geht. Charaktere wie Senua aus “Hellblade”, Mae aus “Night in the Woods”, Chloe und Max aus “Life Is Strange” und Ellie aus “The Last of Us” zeigen, wie facettenreich Weiblichkeit ist. Und dass diese vielfältigen und komplexen Darstellungen von der Spielerschaft begeistert angenommen werden.
Welche Auswirkungen hat dies auf Spielerinnen beziehungsweise Spieler?
Das Wichtigste vorweg: Nein, wer sexistischen Mediendarstellungen ausgesetzt ist wird nicht automatisch zum Sexisten oder sich selbst objektifizieren. Medieninhalte sind nur ein Faktor von vielen, die unser Weltbild prägen, etwa neben dem sozialen Umfeld und dem Bildungshintergrund. Es ist aber aus der Medienforschung bekannt, dass entsprechende Inhalte durchaus Geschlechterstereotype und bestehende sexistische Denkweisen verfestigen und verstärken können, wenn man ihnen regelmäßig ausgesetzt ist. Die Wirkung solcher Darstellung speziell im interaktiven Medium Spiel ist leider noch immer untererforscht und es gibt relativ wenige Studien mit zumeist sehr kleinen Testgruppen – hier besteht definitiv noch einiger Handlungsbedarf.
Wurden Spielerinnen von der Videospielebranche ausgeklammert und wenn ja, wieso?
Siehe meine Ausführungen zu den Gründen für die sexualisierte Darstellung weiblicher Charaktere.
Eine Ergänzung für das bessere Verständnis der komplexen Prozesse, die sich damals abgespielt haben: In den Jahren nach dem Video Game Crash von 1983 konnte man durch Magazin-Abos und öffentliche Wettbewerbe erstmals (scheinbar) nachvollziehen, wer am meisten spielte – und das waren eben Jungen bzw. Männer, deswegen wählte man diese als Kernzielgruppe aus.
Das Problem: Gerade öffentliche Wettbewerbe waren nur bedingt repräsentativ, weil Jungen viel eher zu kompetitivem Verhalten angeregt wurden (und immer noch werden) als Mädchen. Diese geringere Wettbewerbsorientierung macht sich auch heute noch bemerkbar, etwa durch Geschlechterdifferenzen bei der Wahl bevorzugter Spiele und Genres und im E-Sport. Zugleich wurden (abermals: und werden) Jungen bzw. Männer im Umgang mit Technik und im Hinblick auf entsprechende Kompetenzen häufiger gefördert, was wiederum Einfluss auf ihr Nutzungsverhalten hat(te). Die – zumal oberflächliche – Marktforschung hat also damals schlicht in einer Momentaufnahme Ergebnisse geschlechtsspezifischer Sozialisationsprozesse erfasst… und diese Prozesse anschließend gezielt verstärkt, weil das profitabel war.
Zuletzt noch eine persönliche Frage: Wenn Sie spielen, nutzen Sie dann eine weibliche oder männliche Spielfigur?
Ich spiele nach Möglichkeit immer einen weiblichen oder, wenn verschiedene Pronomen zur Auswahl stehen, nicht-binären Charakter. Selbst wenn das Geschlecht der Figur auf der narrativen und spielmechanischen Ebene überhaupt keine Rolle spielt, erhöht sich der Immersionseffekt durch die Wahlmöglichkeit für mich spürbar.
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08.06.2019
Der Sexshop unter den Spielehändlern
Auf Spiegel Online ist just ein Artikel über die Präsenz sexuell expliziter Spiele auf Steam erschienen, verfasst von Daniel Ziegener. Er hat mich zum Thema interviewt, ein paar kurze Auszüge unseres Gesprächs sind im Text zu finden:
Da Daniel einige für mich sehr wichtige Aussagen (notgedrungen) kürzen oder ganz streichen musste, sei hier noch das Interview in voller Länge angefügt:
1. Denkst du, dass Pornospiele mit der Veröffentlichung auf Steam aus der Nische und im Mainstream ankommen? Wird das Auswirkungen auf die restriktiven Richtlinien von Google Play oder Twitch haben?
Kurzfristig sicherlich nicht. Google hat die Nutzungsrichtlinien seines Play Stores gerade erst wieder verschärft und macht es nun nahezu unmöglich, sexuell expliziteres Material – ganz gleich, in welcher Form – dort zu veröffentlichen. Hinter Twitch steckt mit Amazon ein milliardenschwerer US-amerikanischer Großkonzern, der bislang keinerlei Anstalten gemacht hat, auch nur klare Regeln im Hinblick auf das Streamen sexueller Inhalte zu kommunizieren. Hinzu kommt, dass Zahlungsabwickler wie etwa PayPal den Handel mit sexuell expliziten Inhalten ausdrücklich ablehnen. Es herrscht deshalb weiterhin große Unsicherheit bei Entwickler_innen von Pornospielen und ich sehe nicht, dass sich daran so bald etwas ändern wird.
Dennoch ist der Schritt, sexuell explizite Spiele auf Steam zuzulassen, in seiner Bedeutung nicht zu unterschätzen. Während Studios und Publisher bislang Schwierigkeiten hatten, überhaupt Vertriebsplattformen für ihre entsprechenden Produkte zu finden, steht ihnen nun – zumindest in der Theorie – der Weltmarktführer im Bereich der digitalen Distribution offen. Noch bleibt aber abzuwarten, ob und inwieweit das Angebot kuratiert wird, denn das ist durchaus entscheidend für den finanziellen Erfolg dieser Spiele. Aktuell setzt es sich vor allem aus mal mehr, mal weniger ernst gemeinten Kuriositäten zusammen und es ist schwierig, in dem Wust aus überwiegend unterdurchschnittlichen Neuerscheinungen die wenigen guten, ausgereiften Produkte ausfindig zu machen.
2. Die meisten expliziten Titel auf Steam sind noch größtenteils billig produzierte Puzzlespiele mit Bildchen oder 3D-Models. Machst du dir Hoffnung, dass mit der Öffnung von Steam auch mehr gute Spiele über Sex und Sexualität entstehen und ein Publikum finden?
Je mehr Distributionsmöglichkeiten es für solche Spiele gibt und je seltener sie desinteressiert als bloßer “Schmuddelkram” abgetan oder gar auf Plattformen verboten werden, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich mehr Entwickler_innen für diesen Industriezweig interessieren und – in der Erwartung, Profit damit generieren zu können – auch die erforderlichen Ressourcen für qualitativ hochwertige Produkte aufbringen (können). Es ist also gut möglich, dass sich trotz der in meiner ersten Antwort genannten Hürden künftig mehr Anbieter diesen Markt erschließen und ihn um spannende neue Produkte bereichern werden. Darüber hinaus gibt es bereits einige sehr gute Titel, die sich nun womöglich ein neues Publikum eröffnen können, gerade im Bereich der Visual Novels.
Meine Hoffnung besteht aber vor allem darin, dass Darstellungen von Sexualität in Spielen bis zu einem gewissen Grad normalisiert und nicht mehr mit expliziter Gewalt gleichgesetzt oder sogar strikter bewertet werden. Bisher sind wir noch weit davon entfernt, Nacktheit und Sex als Selbstzweck in Spielen zu sehen und nicht bloß als Gimmick oder Marketinginstrument. Steam allein wird diese Entwicklung nicht voranbringen können, denn dafür braucht einen grundlegenden Gesinnungswandel in der Spieleindustrie und darüber hinaus, aber wenn eine so große Firma wie Valve das ökonomische Potenzial hinter Sexspielen erkennt und für sich nutzbar macht, kann das durchaus Signalwirkung haben.
3. Wird sich auch was für queere Spiele verändern, für die die unklaren Regeln bisher oft ein Problem waren, oder bleibt die bisherige Dominanz von Spielen die an Hetero-Männer gerichtet sind?
Der Pornomarkt in seiner Gesamtheit ist auf der Produktionsebene stark männlich dominiert und wird es vorerst auch bleiben. Für pornografische Spiele gilt das – bedingt durch das Klischee, dass vor allem heterosexuelle Männer Gamer seien – umso mehr. Von einer Umwälzung des Marktes gehe ich also nicht aus, sehe aber die Möglichkeit, dass sich dieser für Spiele mit der LGBTQI*-Community oder Frauen als Zielgruppe immerhin etwas weiter öffnen wird. Wichtig hierfür sind aber allgemein geringere Zugangsbeschränkungen im Bereich der Spieleentwicklung und -vermarktung. Queere Produzent_innen (bzw. generell Angehörige sogenannte Minderheiten) verfügen tendenziell über weniger Ressourcen und Kontakte zur Industrie, während es jede Menge große und solvente Studios gibt, die am Fließband Pornografie für heterosexuelle Männer produzieren. Solange letztere die bislang vernachlässigten Zielgruppen nicht für sich entdecken, wird das deutliche Ungleichgewicht bestehen bleiben.
4. Wie findest du persönlich diese Entwicklung mit dieser Welle an Erotik- und Sexspielen auf Steam? Gut, schlecht oder irgendwo dazwischen?
Grundsätzlich begrüße ich es sehr, dass Steam sich für solche Inhalte öffnet. Ich kann diese Maßnahme aber so lange nicht uneingeschränkt gutheißen, wie es keine echte Kuration und vor allem keine effizienten Jugendschutzmaßnahmen auf der Plattform gibt. Ich finde nicht, dass junge Menschen grundsätzlich vor Nacktheit und Sexualität geschützt werden müssen – erfahrungsgemäß enthalten aber viele Sexspiele Darstellungen, die durchaus verstörend sein können und in den Händen von Kindern und Jugendlichen absolut nichts zu suchen haben. So sind etwa sexualisierte Gewalt, Missbrauch, Manipulation und die Erniedrigung bzw. Objektifizierung (fast ausschließlich) von Frauen beliebte Themen in solchen Produkten. Diese haben als Abbildungen von sexuellen Fantasie-Szenarien definitiv eine Daseinsberechtigung, aber sie gehören nicht in den Mainstream. Hier sehe ich Valve in der Verantwortung, auf Basis klar definierter Regeln entsprechend zu filtern und für besseren Jugendschutz zu sorgen. Zwar sind sexuell explizite Inhalte aktuell standardmäßig ausgeblendet, aber es braucht nur wenige Klicks in den Nutzungseinstellungen, um sie dauerhaft anzuzeigen.
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28.02.2019
Sex in Computerspielen: Play with me
Für seinen Deutschlandfunk-Beitrag über Sex in digitalen Spielen habe ich mit Tim Baumann u.a. über die sinnvolle Einbindung von Sexdarstellungen und über die auffällig ungleiche Beurteilung gewalthaltiger und sexueller Medieninhalte gesprochen:
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16.01.2019
Leidenschaft und Überstunden
Für Zeit-Online hat Matthias Kreienbrink ein Interview mit mir und zahlreichen anderen Expert_innen geführt, um über die Arbeitsbedingungen in der Spielebranche zu sprechen.
https://www.zeit.de/digital/games/2019-01/games-branche-arbeitsbedingungen-computerspiele-ausbeutung
Hier das vollständige Interview:
Wie hast du dieses Jahr [2018] erlebt? Es gab viele Neuerungen – Hakenkreuze, neue Messen, Fördergelder – denkst du, dass diese Änderungen in der Videospiel-Industrie Deutschlands auch deine Arbeit verändern wird?
Zunächst entpuppte sich dieses Jahr als ein sehr geschäftiges und aufregendes für mich: „Don’t Make Love“ – das erste kommerzielle Spiel, an dessen Entwicklung ich beteiligt war – wurde überraschend für einen IGF-Award nominiert, sodass unser Team zur Game Developers Conference nach San Francisco reisen und viele spannende Kontakte knüpfen konnte. Gewonnen haben wir letztlich zwar nicht, aber allein von der Präsenz vor Ort haben wir enorm profitiert – auch im Hinblick auf unsere Verkäufe.
Darüber, dass mit der Darstellung von Hakenkreuzen auch die Rolle des Mediums neu verhandelt wurde und es nun eine weitere großen Hürde zur Wahrnehmung als allgemein akzeptierte Kunstform genommen hat, freue ich mich sehr. Gerade digitale Spiele können, bedingt durch ihre interaktive Komponente, zu einer vertiefenden und aktiven Auseinandersetzung mit wichtigen Themen einladen – so auch mit den Verbrechen des Naziregimes, deren Aufarbeitung angesichts der wieder erstarkenden (radikalen) Rechten auf der ganzen Welt von besonderer Aktualität und Relevanz ist.
Dass der Standort Deutschland für die Spieleentwicklung attraktiver gemacht werden soll, ist ebenfalls eine gute Nachricht, wobei abzuwarten bleibt, wer letztlich von den Fördergeldern profitiert. Für mich persönlich wird sich hierdurch vermutlich vorerst nichts ändern, da Spieleentwicklung zwar einen wichtigen Stellenwert in meinem Leben einnimmt, sie aber nicht meine Haupteinnahmequelle darstellt.
Ich weiß, diese Frage ist sicher mühsam, aber: wie steht es in Deutschland um den Frauenanteil in der Videospiel-Industrie, vor allem im Bereich der Spiel-Entwicklung? Wie erlebst du da den Status Quo und bemerkst du Veränderungen?
Während sich an den (Hoch-)Schulen mit entsprechenden Studienschwerpunkten erfreulicherweise immer mehr Frauen immatrikulieren und Initiativen wie „Womenize“ darum bemüht sind, aufstrebende wie erfahrene Branchenmitglieder miteinander zu vernetzen, sehe ich weiterhin einige Defizite: Unter den Gründer_innen etwa sind nach wie vor sehr wenige Frauen, und gerade an Repräsentation und Rollenvorbildern in der deutschen Szene mangelt es deutlich. Als etwa eine Zeitschrift Anfang November anlässlich der angekündigten Fördermittel im Bundeshaushalt Stimmen aus der Industrie zu Wort kommen ließ, fanden sich in der Liste: Zehn weiße Männer. Zwar erfolgte nach anhaltender Kritik eine Entschuldigung, aber ob der nächste Beitrag dieser Art – ganz gleich auf welcher Plattform oder in welchem Magazin – dann anders aussehen wird, bleibt gespannt abzuwarten. Dabei ist diese Form der Repräsentation unglaublich wichtig, denn sie kann Frauen einen klar erkennbaren Platz in der Branche einräumen und den weiblichen Nachwuchs dazu einladen, eine entsprechende Karriere zu verfolgen. Ganz nach dem Motto: „If she can see it, she can be it.“
Seit bekannt wurde, wie die Arbeitsbedingungen bei Rockstar aussehen – oder aussahen – ist das Thema Crunch-Time wieder ziemlich stark diskutiert worden. Hast du da selbst Erfahrungen mit gemacht? Oder kennst du Menschen, die Crunch-Time erlebt haben – auch in Deutschland? Und generell, wie ist deine Einschätzung der Lage in Deutschland? Sind die Arbeitsbedingungen hier besser als etwa in den USA?
Für in der Spielebranche tätige Menschen ist Crunch-Time nicht nur anlässlich solcher großer Enthüllungen, sondern andauernd Thema: Leistungsdruck und die Romantisierung von Fremd- und Selbstausbeutung begleiten viele von uns über den gesamten Verlauf unserer Karriere hinweg. Selbst wenn wir nicht zu Crunch-Time gedrängt werden – und das gilt glücklicherweise für die mir bekannten Menschen, die in der deutschen Spielebranche tätig sind – arbeiten doch viele von uns über ein gesundes Maß hinaus, legen wiederholt Überstunden ein, und investieren enorm viel Energie, um ein möglichst perfektes Produkt abliefern zu können. Solche Prozesse habe ich allerdings vor allem bei jenen beobachtet, die fernab der großen Firmen, entweder allein oder in sehr kleinen Teams, tätig sind. Wer mit überschaubaren Fördermitteln oder gar ohne Zuschüsse auskommen muss, hat potenziell gar keine andere Wahl, als Nacht- und Wochenendschichten einzulegen, um die gesteckten Ziele zu erreichen und irgendwann ein fertiges Spiel auf den Markt bringen zu können. Und selbst wenn keine direkte finanzielle Abhängigkeit von einem Projekt besteht, kann Crunch-Time eine Rolle spielen, weil Entwickler_innen glauben, dass sie ihre Leidenschaft nur so zum Ausdruck bringen und auf dem Markt bestehen können.
Ich selbst bin in der glücklichen Position, dieses Problem umgehen zu können, da meine primäre Erwerbsquelle eine andere ist und sie alle wichtigen Kosten deckt. Am Wochenende habe zwar auch ich schon sehr oft gearbeitet, aber abends zu einer bestimmten Uhrzeit ist immer – wirklich ausnahmslos – Schluss, und dann widme ich mich anderen Dingen.
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04.05.2018
Digitale Gespräche: Sex und Spiele
Mit Arno Görgen, Rudolf Inderst und Eugen Pfister sprach ich in einem denkbar ungewöhnlichen Setting über die Darstellung von Sex im digitalen Spiel: Nämlich im Berlin des späten 18. Jahrhunderts. In der Reihe “Digitale Gespräche” laden die drei Spieleforscher regelmäßig Expert_innen ein und sprechen mit ihnen in wechselnden historischen Kontexten über ihre jeweiligen Fachthemen.
Das vollständige Gespräch ist hier nachzulesen: https://spielkult.hypotheses.org/1704
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06.04.2018
detektor.fm: Frauen & Games
Fast die Hälfte aller Gamer sind weiblich. Warum werden Frauen in Videospielen dann so häufig sexualisiert und zum Objekt gemacht? Wir sprechen über Frauen und Games – mit Entwicklerinnen, Gamerinnen und Wissenschaftlerinnen.
In diesem Beitrag ist ein knapp zehnminütiges Audiointerview mit mir enthalten. Der Artikel kann unter folgendem Link abgerufen werden: https://detektor.fm/kultur/rush-frauen-games
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11.2017
brand eins: Game Boys für Girls?
Für die Novemberausgabe des Wirtschaftsmagazins “brand eins” wurde ich u.a. zu den Themen Geschlechterdarstellung in Spielen, Diverstität in der Industrie und Rezeption von Spielen interviewt. Auszüge aus dem Gespräch sind im Artikel “Game Boys für Girls?” von Christoph Koch zu finden.
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12.10.2017
Anekdoten mit Nina Kiel: Frauengeschichten
Ein weiteres Mal war ich bei “The Pod” zu Gast und sprach mit André Peschke im Format “Anekdoten” über meine Erfahrungen als Frau* in der Spieleindustrie.
Die Folge ist auf der Webseite abrufbar, steht allerdings nur Podcastabonnent_innen zur Verfügung: https://www.gamespodcast.de/anekdoten-alle-folgen
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12.05.2017
Broadly: Videospiele haben nach wie vor ein Problem mit Mutterfiguren
Anlässlich des Muttertags hat Lisa Ludwig einen Blick auf das Mutterbild in Spielen geworfen und mich zum Thema interviewt. Das vollständige Gespräch ist weiter unten nachzulesen, hier geht’s zum Artikel:
https://broadly.vice.com/de/article/videospiele-haben-nach-wie-vor-ein-problem-mit-mutterfiguren
Es gibt immer wieder—absolut zu Recht—den Vorwurf, dass Frauen in Videospielen sehr sexualisiert dargestellt werden und Charaktere im Allgemeinen recht klischeebeladen sind. Was sind für Sie typische Attribute, die in Videospielen Mütter oder Mutterfiguren charakterisieren?
Im Wesentlichen gibt es drei Typen von Müttern in Spielen: Da wäre zum einen der Engel im Haushalt, der stets freundlich und liebevoll auf die Rückkehr des Kindes wartet und Heimatverbundenheit repräsentiert. Diese Mutter wächst über ihre Rolle nie hinaus, ist stets zuverlässig Daheim anzutreffen und weist keine oder wenige individuellen Charakterzüge auf. Diesem Entwurf gegenüber steht die junge, hübsche Mutter, die durchaus aktiver in Erscheinung tritt und gelegentlich sogar in Gefechten für sich und andere einsteht, aber für gewöhnlich nicht mehr als eine Randfigur ist. Und zu guter letzt begegnet man auch der Raben- oder Monstermutter: Einer mal übersexualisierten, mal hässlich-deformierten Figur, die sich vor allem durch ihre Skrupellosigkeit auszeichnet.
Gerade in Rollenspielen wird der Tod der Mutter/einer Mutterfigur gerne als eine Art emotionale Begründung für die große Mission innerhalb des Spiels oder eben einfach als emotionale Nebenhandlung, die den Spieler zusätzlich vorantreibt oder seine Handlungen rechtfertigt, benutzt. Haben Sie eine Theorie dazu, warum dieses Handlungselement so beliebt ist?
Weil es so effizient ist. Wir alle haben (oder hatten) irgendwann in unserem Leben eine Mutter und nicht wenige von uns eine enge, emotionale Bindung zu ihr – schließlich war sie diejenige, die uns auf die Welt gebracht und potenziell über viele Jahre unseres Lebens begleitet hat. Die Angst davor, diese wichtige Person zu verlieren, ist eine sehr geläufige, daher sprechen uns solche Spielszenarien auf der Gefühlsebene direkt an. Der Tod einer Mutterfigur erzielt einen deutlichen Effekt, selbst wenn wir in der Geschichte gar nicht viel über sie erfahren haben. Das ist ungemein praktisch, wenn ohne allzu große Mühen bestimmte Reaktionen erzielt werden sollen.
Mir persönlich fällt auch nach längerem Überlegen kein Spiel ein, in dem man als Spieler in eine Figur schlüpft, die nicht nur, aber eben auch Mutter ist und in dieser Rolle auch stattfindet. Warum ist das so selten? Weil sich der stereotype männliche Durchschnittsgamer mit so einer Figur nicht identifizieren könnte?
Die Befürchtung, der vermeintliche Durschnittspieler könne sich mit einer solchen Rolle nicht identifizieren, ist zumindest mitverantwortlich für den Mangel an interessanten Mutterfiguren in Spielen. Viel relevanter ist aber das übergeordnete Problem, dass man weiterhin oft darauf verzichtet, überhaupt Frauen als Identifikationsfiguren anzubieten. Videospiele hatten sehr, sehr lange männliche Jugendliche als Hauptzielgruppe und zeichneten weibliche Charaktere deshalb vor allem als erotisches Anschauungsmaterial bzw. als Opfer. Selbst wenn weibliche Protagonisten vorgestellt wurden, waren auch sie fast ausnahmslos jung und attraktiv, um den heterosexuellen Spielern zu gefallen. Die Folgen dieser Prioritätensetzung sind bis heute spürbar, daher ist es nicht verwunderlich, dass kaum Platz für aktive Mütter eingeräumt wird. Wenn sie doch einmal – in Nebenrollen – in Erscheinung treten, sind auch sie häufig überdurschnittlich hübsch und erstaunlich jung.
Daran wird sich vermutlich erst etwas ändern, wenn mehr Frauen in die Spielebranche streben und sie dort Führungspositionen besetzen, die es ihnen erlauben, direkt Einfluss zu nehmen. Die Quote von spielbaren Vätern ist schließlich deshalb in den letzten Jahren stetig gestiegen, weil immer mehr Entwickler selbst Väter werden und es sie verständlicherweise reizt, ihren nun breiteren Erfahrungshorizont in die Projekte einfließen zu lassen, an denen sie arbeiten. Sobald mehr engagierte Mütter an Spielen arbeiten, wird sich hoffentlich auch die Zahl und Vielfalt ihrer digitalen Repräsentantinnen erhöhen.
Gibt es Spiele, die es besser machen und realistische, nahbare Mutterfiguren und -rollen zeigen?
Interessante Ansätze gibt es in einigen Beat’em-Ups, in denen Mütter als fähige Kämpferinnen dargestellt werden, die engagiert auf ein Ziel hinarbeiten. Beispiele hierfür wären Sophitia aus der „Soul Calibur“-Reihe, die explizit für das Wohl ihrer Kinder kämpft, oder C.Viper, eine Geheimagentin aus der „Street Fighter“-Serie, die außerhalb des Kampfrings als liebevolle Mutter auftritt. Realitätsnah sind diese Figuren aus diversen Gründen zwar nicht, aber sie erweitern unsere Vorstellung vom Konzept „Mutter“, das sich oft um nur wenige Stereotype dreht. Schade ist nur, dass es sich bei den mütterlichen Pflichten dieser Charaktere um biografische Randnotizen handelt, die in nur wenigen Textzeilen oder kurzen Sequenzen zum Ende des Spiels überhaupt thematisiert werden, sodass es leicht ist, sie zu übersehen.
Charaktere, deren Mutterschaft intensiv thematisiert wird, ohne in Klischees abzugleiten, gibt es hingegen praktisch keine. Es bleibt nur abzuwarten und darauf zu hoffen, dass wir irgendwann weibliche Entsprechungen zu Vaterfiguren wie Joel aus „The Last of Us“ oder Ethan aus „Heavy Rain“ zu Gesicht bekommen werden – Menschen, die lieben, leiden, kämpfen und dabei stets glaubwürdig erscheinen.
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11.05.2017
Art of Gaming: Sex in Videospielen
“Art of Gaming” ist eine von Arte Creative produzierte Videoreihe, die sich im Zweiwochenrhythmus neuen Themen mit Spielbezug widmet. Ich wurde eingeladen, um mit der Moderatorin Melek Balgün über die Darstellung von Sex in Spielen zu sprechen:
http://www.arte.tv/de/videos/072478-006-A/art-of-gaming
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09.05.2017
Nachgeforscht: Sexismus und Spiele
Im Rahmen der Reihe “Nachgeforscht” auf gamespodcast.de sprachen Maike Groen und ich mit Moderator André Peschke über Sexismus und Spiele: Wie werden Frauen und Männer in digitalen Spielen dargestellt? Welche unterschiedlichen Erfahrungen machen Spielerinnen und Spieler? Und wie wird der Diskurs über Geschlechterdarstellungen im Medium geführt?
Die Folge ist auf der Webseite abrufbar, steht allerdings nur Podcastabonnent_innen zur Verfügung: https://www.gamespodcast.de/science-baby
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23.03.2017
Deutschlandfunk Nova: “Mass Effect Andromeda” – Liebe, Sex und Aliens
Im Zuge der Veröffentlichung von “Mass Effect: Andromeda” habe ich mit Thomas Ruscher von DRadio Wissen über Romantik und Sex in (Mainstream-)Spielen gesprochen. Hier geht’s zum Audiobeitrag:
https://dradiowissen.de/beitrag/liebe-in-computergames-spielerische-beziehungssimulation
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17.03.2017
Culturevania: Sex in Videospielen
Ich war im wunderbaren “Culturevania”-Podcast zu Gast, um über Sex in Videospielen zu sprechen:
https://culturevania.com/2017/03/17/folge-5-sex-in-videospielen/
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16.02.2017
Games & Politics
Das Goethe-Institut hat im Kontext seiner Wanderaustellung “Games & Politics” einige Videointerviews geführt – unter anderem mit mir:
https://www.youtube.com/watch?v=yZoZKrVDagg&t=287s
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12.12.2016
Games und Gender: Denkbare Heldinnen
Jan Bojaryn hat mich im Auftrag des Goethe Instituts zum Thema Geschlechterrollen in Spielen und Sexismus in der Branche interviewt. Das gekürzte Gespräch ist auf der Webseite des Instituts zu finden, in voller Länge kann es nachfolgend nachgelesen werden:
Sind Games ein Spiegel der Gesellschaft? Haben sie also einfach dieselben Probleme?
Klar: Alle Medienerzeugnisse werden durch die Gesellschaft geprägt, in denen man sie entwickelt, und Spiele sind da keine Ausnahme. Sexismus existiert nicht nur in diesem einen Mikrokosmos, sondern er ist überall und wird deshalb vielfach gar nicht oder als unproblematisch wahrgenommen. Und veraltete Rollenbilder mögen in unserem Alltag nicht mehr präsent sein, in Filmen, Büchern, Serien und Comics existieren sie aber nach wie vor. Spiele heben sich lediglich dadurch hervor, dass sie noch am Anfang einer Entwicklung stehen, die insgesamt mehr inhaltliche Vielfalt mit sich bringt. Das Medium nahm seinen Anfang in den Computerwissenschaften und der damit verknüpften Nerdkultur, daher hielten sich starre Rollenbilder, in denen Männer als Akteure und Frauen vor allem als Opfer oder Trophäen auftraten, darin besonders beharrlich – und sie sind auch heute noch präsent. Erst mit der zunehmenden Diversifizierung von Zielgruppe und Entwicklerteams zeichnete sich in den letzten Jahren eine Veränderung ab.
Solange Sexismus ein Teil der Gesellschaft ist, wird er aber zwingend auch ein Teil von Spielen sein. Man darf lediglich auf mehr Alternativen hoffen.
Wie sieht diese Veränderung aus? Entstehen jetzt andere Spiele? Und haben diese Spiele auch Erfolg?
Nun, da weiße, heterosexuelle Männer zwar immer noch die Mehrheit bilden, aber nicht mehr allein auf weiter Flur sind, halten neue Perspektiven Einzug in die Branche. Menschen erzählen vor allem Geschichten, in denen sie sich selbst verorten können und die ihren persönlichen Erfahrungshorizont widerspiegeln, daher wiederholten sich bisher Geschichten, in deren Zentrum weiße Männer standen.
Mittlerweile hingegen ist es zumindest nicht mehr undenkbar, dass in einem Spiel mehr weibliche Figuren wichtige Rollen bekleiden als männliche und dabei auch anähernd glaubwürdig wirken. Dontnods “Life Is Strange” zum Beispiel hat vorgemacht, dass ein überwiegend weiblicher Cast selbst dann spannend und vielfältig erscheinen kann, wenn er sich in den oberflächlichen Strukturen einer klischeehaft gezeichneten, US-amerikanischen Schule bewegt. “Mirror’s Edge” und der in diesem Jahr veröffentlichte Nachfolger “Mirror’s Edge: Catalyst” präsentieren eine extrem sportliche, asiatische Frau als Hauptfigur, deren Körper als Werkzeug zur Erfüllung wichtiger Missionen und nicht als erotisches Anschauungsmaterial inszeniert wird. “Gone Home”, das 2013 als Überraschungserfolg gefeiert wurde, konzentriert sich sogar auf das Liebesleben einer Frau – ein thematischer Fokus, der bis dato von vielen Entwicklern und Vertrieben abgelehnt wurde, weil man befürchtete, die männliche Zielgruppe damit zu verschrecken.
Auch wenn man hier von Erfolgen sprechen kann, haben sich diese Titel allerdings aus verschiedenen Gründen nur bedingt zufriedenstellend verkauft. “Mirror’s Edge” litt unter seinem unausgereiften Gameplay, “Life Is Strange” konnte zwar eine große, aber nicht allzu zahlungskräftige Fangemeinde hinter sich vereinen und “Gone Home” blieb trotz seiner Popularität ein Nischentitel.
Häufig heißt es, dass eben kein Interesse an weiblichen Protagonisten bestünde, wenn die Verkäufe solcher Spiele hinter den Erwartungen zurückbleiben. In den meisten Fällen kranken diese Titel aber an technischen oder narrativen Mängeln. Wenn sich ein Spiel mit einem männlichen Helden schlecht verkauft, wird das stets auf die schlechte Grafik, eine langweilige Geschichte oder eine undurchdachte Spielmechanik zurückgeführt. Spricht man über frauenzentrierte Titel, wird dagegen oft die Frau selbst als entscheidender Faktor genannt. Und sie ist es zumindest insofern, als dass solchen Spielen im Schnitt ein deutlich kleineres Marketingbudget zur Verfügung gestellt wird – eben weil man von vornherein davon ausgeht, dass sie ohnehin floppen werden.
Eine umso wichtigere Rolle kommt daher den von kleinen Teams produzierten Indie-Spielen zu. Finanzielle Unabhängigkeit bringt – sofern sie denn überhaupt erzielt werden kann – zwar ein erhebliches Risiko mit sich, aber eben auch viel kreatives Potenzial. Und da es heutzutage relativ viel kostengünstige oder -freie und benutzerfreundliche Software für die Spieleentwicklung gibt, können immer mehr auch unerfahrenere Menschen dieses Medium als Ausdrucksmittel wählen. Spiele wie “Dys4ria”, “Papers Please”, “Talks With My Mom” oder “Her Story” zeigen deutlich, welches Potenzial damit einhergeht.
Auf der Gamescom bekomme ich den Eindruck, dass Zielgruppe von Games immer noch vor allem männliche Teenager sind. Gibt es ein spezielles Problem bei der Vermarktung von Spielen?
Auch wenn in den vergangenen Jahren immer mehr Frauen auf solchen Branchenveranstaltungen zu sehen waren, ist der Männeranteil in der Tat weiterhin signifikant höher. Marketing spielt in diesem Zusammenhang ganz sicher eine Rolle, denn Spiele werden überwiegend mit der männlichen Zielgruppe im Blick beworben: So sind auf den Spielverpackungen zum Beispiel vor allem männliche Charaktere zu sehen, selbst wenn auch weiblichen Figuren eine wichtige Rolle zukommt. Das beste Beispiel hierfür ist die “Mass Effect”-Trilogie von BioWare, in der man frei zwischen einem männlichen und einem weiblichen Protagonisten wählen kann – auf dem Promomaterial war aber fast ausnahmslos ersterer zu sehen.
Dieser Fokus auf die männliche Spielerschaft zeichnet sich auch auf den Veranstaltungen selbst auf unterschiedliche Arten ab, allen voran durch den Einsatz leicht bekleideter Messe-Hostessen, die durch ihre Attraktivität Aufmerksamkeit zunächst auf sich selbst und dann auf das jeweilige Produkt lenken sollen. Dass sich solche Werbemaßnahmen nicht an Frauen richten, ist klar, und sie tragen potenziell zu unangenehmen Missverständnissen bei. Immmer wieder wurden und werden zum Beispiel Fachbesucherinnen für Hostessen gehalten und ungefragt fotografiert. Andere erleben, dass man sie an den Ständen viel intensiver an die Hand nimmt und ihnen die jeweiligen Titel ausgiebiger erklärt als männlichen Konsumenten. Letzteres habe auch ich schon erlebt – und das als Spielejournalistin.
Woher kommt das? Glauben in der Community viele, dass Frauen weniger von Spielen verstehen, oder sich weniger intensiv damit beschäftigen?
So ist es, und die Branche selbst hat wesentlich dazu beigetragen. Gerade in den 80er- und 90er-Jahren waren Werbeanzeigen gang und gäbe, in denen Mädchen und Frauen geradeheraus als unfähig, nervig und lediglich als attraktive Anschauungsobjekte dargestellt wurden. Das Videospielmarketing in dieser Zeit setzte deutlich auf Abgrenzung: Die angeknacksten Egos der oft isolierten und missverstandenen Nerds wurden aufpoliert, indem man ihnen durch maskuline Machtfantasien suggerierte, kompetent, cool und anderen überlegen zu sein – allen voran den schwachen und technisch inkompetenten Frauen.
Diese Werbemaßnahmen führten einserseits dazu, dass weibliche Spieler innerhalb der Szene tatsächlich als weniger fähig wahrgenommen oder sogar ausgegrenzt wurden, und andererseits zu einer Abkehr vieler Mädchen und Frauen von diesem Medium, das sie so offensichtlich geringschätzte. Die Folgen davon sind bis heute spürbar.
Spielen wirklich vor allem Jungs?
Nein, das trifft schon lange nicht mehr zu. In den vergangenen Jahren ist der Anteil weiblicher Spieler fast kontinuierlich gestiegen, wie Erhebungen der Entertainment Software Association und des Bundesverbands Interaktive Unterhaltungssoftware deutlich zeigen. Zuletzt ist die Zahl zumindest in den USA zwar wieder ein wenig geschrumpft, aber dort sind Frauen immer noch mit einem Anteil von immerhin 41% vertreten. Dass “Jungs” die primäre Zielgruppe sind, ist übrigens noch in einem anderen Sinne unzutreffend: Der durchschnittliche Spieler ist nämlich Statistiken zufolge 35 Jahre alt.
Viele Spiele erlauben mir heute, meinen Charakter zu gestalten, auch das Geschlecht auszuwählen. Ist das schon ein Fortschritt, oder liegen
Probleme anderswo?
Charaktereditoren leisten auf jeden Fall einen wichtigen Beitrag zu mehr Diversität in Spielen – und das nicht nur im Zusammenhang mit der Geschlechterdarstellung. Im Idealfall bietet die Erstellung eines eigenen Avatars auch die Möglichkeit, das sonst sehr eng gefasste Spektrum von Körperformen und Hautfarben intensiver auszuschöpfen. Einerseits ist die Präsenz dieser Editoren also eindeutig als Fortschritt zu werten. Andererseits hängt ihr Potenzial aber immer auch von der Vorstellungskraft und dem Wohlwollen der Entwickler_innen ab. Denn selbst der komplexeste Charaktereditor stößt schnell an seine Grenzen, wenn etwa übergewichtige Avatare einfach nicht vorgesehen sind. Gerade bei weiblichen Figuren fehlt diese Option, Beine und Bäuche zu vergrößern, oft gänzlich. Und so spiegeln sich gängige Schönheitsvorstellungen eben doch auch in solchen Spielen wider.
Davon abgesehen, ist es wichtig, weibliche, dicke und ethnisch vielfältige Charaktere nicht nur als zwischen vielen Reglern und Knöpfen versteckte “Alternativen” anzubieten. Man sendet viel stärkere Signale an (vermeintliche) “Randgruppen”, wenn man sie ganz bewusstin das Zentrum der Aufmerksamkeit rückt und spannende Rollen eigens für sie entwickelt.
Das klingt so, als wäre es ein Selbstwert, wenn bisher unterrepräsentierte Menschen sich in Spielen wiederfinden. Worin liegt denn der Wert? Warum ist das gut?
Zunächst: Ja, es ist auch ein Selbstzweck. Meines Erachtens sollte es selbstverständlich sein, dass Menschen, die einen erheblichen Teil der Weltbevölkerung stellen, ein angemessener Platz in unseren Medien eingeräumt wird. Aber es gibt auch ganz konkrete Gründe dafür, sich darum zu bemühen: Sich in den Medien und damit in unserer Gesellschaft verortet zu sehen, ist ein wichtiger identitätsstiftender Prozess. Wer selten oder gar nicht repräsentiert wird, wird als weniger wichtig wahrgenommen – sowohl von den Angehörigen der betroffenen Gruppierungen als auch von Außenstehenden. Vielfältige Rollenvorbilder können dazu betragen, Menschen wertvolle Impulse für ihr eigenes Leben zu geben. Das Geena Davis Institute on Gender in Media hat diesen Prozess in einem sehr schönen, prägnanten Slogan zusammengefasst: “If she can see it, she can be it.”
Wie hat sich die Branche in den letzten Jahren entwickelt?
Die Zielgruppe unterliegt einem deutlichen, demografischen Wandel, der seinerseits zu einer Veränderung der Branche beiträgt. Immer mehr Menschen unterschiedlichster Altersklassen, Geschlechteridentitäten und Professionen spielen, was zu einer schleichenden, gesellschaftsübergreifenden Akzeptanz des Mediums führt. Bis zu dem Punkt, an dem Spiele gleichberechtigt neben Filmen im Feuilleton besprochen werden, ist es zwar noch ein weiter Weg, aber aus ihrer klaren Verankerung in der Nerdkultur hat die interaktive Unterhaltungselektronik bereits gelöst.
Die zunehmende Integration in unsere Gesellschaft, die damit verbundene Veränderung der Spielerschaft und die kritische Reflexion von Spielen in der Fachpresse wie im akademischen Kontext hat gerade in den letzten Jahren eine zunehmende Diversifizierung der Inhalte bewirkt. Die Helden von Spielen sind nicht mehr zwingend männlich und weiß und sie kreisen nicht mehr primär um gewaltsame Konflikte. Es gibt mehr und mehr Ideen, die in ganz andere Richtungen gehen.
In Deinem Buch analysierst Du Tomb Raider. Siehst Du Lara Croft als starke Heldin eher positiv, oder eher Negativ – als eine Art Pinup?
Über genau diese Frage streiten vor allem Akademiker_innen seit mittlerweile 20 Jahren, und auch ich kann keine eindeutige Antwort darauf geben. Fakt ist, dass Lara Croft eine der ersten uneingeschränkt kompetenten, selbstständigen und taffen Frauen in der Videospielgeschichte war und damit eine interessante Identifikationsfigur für Spielerinnen. Andererseits repräsentierte sie gerade in den frühen Titeln der Reihe ein unerreichbares Körperideal und wurde bewusst als digitale Sex-Ikone inszeniert, um die Verkäufe anzukurbeln. “Tomb Raider” übernahm damit ein Weiblichkeitsideal, das schon vorher insbesondere in Filmen existierte: Die Frau darf zwar durch ihre Überlegenheit hervorstechen, aber diese Überlegenheit muss sich zwingend auch auf ihre Schönheit beziehen. Sie darf aufgrund ihrer Fähigkeiten bedrohlich wirken, muss aber zugleich ästhetisch gefallen.
Problematisch ist meines Erachtens nicht, dass einzelne Charaktere – wie eben Lara Croft – diesem Schema entsprechen, sondern dass es weiblichen Figuren bis heute nahezu unmöglich ist, daraus auszubrechen.
Warum hast Du die Zelda-Serie genauer analysiert? Inwiefern ist die im Bezug auf Genderfragen spannend?
Die “Zelda”-Reihe hat mich aus mehreren Gründen als Recherchegegenstand interessiert: Die Zielgruppe dieser Spiele war immer schon überdurchschnittlich frauendominiert. Gerade, wenn man sich im Cosplay-Bereich umsieht, trifft man auf zahlreiche weibliche Fans, die sich als ihre Lieblingscharaktere aus der Serie verkleiden. Diese Geschlechterverteilung macht im ersten Moment stutzig, da der Protagonist der “Zelda”-Spiele seit jeher männlich ist und sich die Spielerinnen notgedrungen mit einer Figur identifizieren müssen, die ihnen nicht wirklich ähnelt. Zudem hat gerade diese Reihe das in Spielen lange präsente Klischee der “Jungfrau in Nöten” entscheidend mitgeprägt, da die namensgebende Prinzessin in den meisten Titeln aus der Reihe entführt wird und gerettet werden muss.
Trotz all dieser Diskrepanzen hatte sich überraschenderweise bis zum Zeitpunkt meiner Recherche noch niemand intensiver mit der Darstellung von Geschlecht in den “Zelda”-Titeln auseinandergesetzt. Daher habe ich beschlossen, diese Lücke zu füllen.
Hast Du eine Erklärung dafür, warum Link auch für weibliche Fans Identifikationsfigur sein kann?
Link stach immer schon aus der Riege hypermaskuliner Helden hervor, weil er als eher schlacksiger und androgyner Charakter gezeichnet wurde. Dank seiner feinen Gesichtszüge und der charakteristischen grünen Tunika haftete ihm stets eine geschlechtliche Uneindeutigkeit an, die vielen Spielerinnen die Identifikation mit diesem ungewöhnlichen Helden deutlich erleichtert haben dürfte. Wie neutral der Charakter wirklich erscheint, zeigt sich besonders deutlich, wenn er von kostümierten Frauen verkörpert wird. Der Geschlechterwechsel ist in den wenigsten Fällen wirklich auffällig.
Hinzu kommt Links Schweigsamkeit. Bis heute hat man in den “Zelda”-Spielen sehr bewusst darauf verzichtet, dem jungen Helden eine eigene Stimme zu geben, um das Identifikationspotenzial zu erhöhen. Zwar hört man ihn in actionlastigen Sequenzen ächzen oder schreien, aber in Gesprächen bleibt er grundsätzlich stumm.
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25.10.2016
Lara Croft: Vorbild oder Sexsymbol?
Für Heute+ und das Morgenmagazin des ZDF sprach ich über das 20-jährige “Tomb Raider”-Jubiläum und über die Rolle Lara Crofts als Sexsymbol und Identifikationsfigur:
Der Beitrag kann in der ZDF-Mediathek abgerufen werden: http://www.zdf.de/ZDFmediathek/kanaluebersicht/446#/beitrag/video/2865868/Lara-Croft:-Vorbild-oder-Sex-Symbol?
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18.10.2016
Mit Zunge und Controller zum Höhepunkt
Josefine Schummeck hat mich für die Online-Plattform ze.tt zum Thema Spiele und Sinnlichkeit interviewt. Hier geht’s zum Artikel: http://ze.tt/mit-zunge-und-controller-zum-hoehepunkt/
“Sinnlichkeit über Spiele zu vermitteln, ist nicht leicht – und doch versuchen sich vor allem Indie-Game-Entwickler*innen an der sinnlichen Erfahrung. Warum? „Traditionell inszenieren Videospiele eher Konflikte und animieren dazu, Gewalt als Lösung anzuwenden“, sagt Game Designerin und Spielejournalistin Nina Kiel zu ze.tt. Doch manche Entwickler*innen „haben einfach keine Lust mehr auf Gewalt. Sie zeigen den Körper deshalb nicht als potenzielle Waffe, sondern als Werkzeug, um Freude und Lust zu wecken.“
Doch weil Controller und Tastaturen kalt und mechanisch bleiben, müssen sich Entwickler*innen größte Mühe geben, die Lust der Spielenden anzukurbeln. „Erfahrungsgemäß können Spiele vor allem dann sinnlich werden, wenn sie dazu dienen, die Fantasie zu stimulieren, also lediglich Anregungen bieten für etwas, das sich später ganz woanders abspielt“, sagt Kiel.”
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24.07.2016
IM1639: Sexualität in Zeiten von Virtual Reality
Wie verändert sich unsere Sexualität in Zeiten von Virtual Reality? Wie weit fortgeschritten ist der Sex in VR, welche Mittel und Wege hat die Pornoindustrie schon gefunden, das Medium zu nutzen und werden sich Fetische und unerwünschte sexuelle Fantasien vielleicht in Zukunft viel besser und leichter in der virtuellen Realität einer immersiven Software erleben lassen? Ist Sex in VR eigentlich echter Sex und zählt das schon als Fremdgehen?
Gemeinsam mit der freien Spielejournalistin und Spieldesignerin Nina Kiel (random encounter auf superlevel) reden wir in dieser Brunch-Folge ausführlich über die Chancen, die gesellschaftlichen und moralischen Fragen und auch die potentiellen möglichen Schattenseiten einer sexuellen Nutzung von VR.
Hier geht es zum Podcast:
http://insertmoin.de/im1639-sexualitaet-in-zeiten-von-virtual-reality/
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23.07.2016
Radio Fritz – Trackback
Mit Dennis Kogel von Radio Fritz habe ich mich über Indie-Spiele unterhalten, die ein ungewöhnlicher und innovativer Umgang mit Sex auszeichnet.
Die Sendung kann unter folgendem Link nachträglich angehört werden, das entsprechende Segment beginnt in Minute 34:
http://trackback.fritz.de/2016/07/23/trb-484-bundestrollamt-pokehund-sex-in-games-try-try-try/
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10.06.2016
Sexismus in Spielen und in der Gamesbranche: Eine Bestandsaufnahme
Für die PC Games hat Manuel Fritsch einen Artikel über Sexismus in der Spielebranche verfasst und in diesem Zusammenhang mit mir sowie drei weiteren in der Branche tätigen Frauen gesprochen – anbei ein Auszug:
Nina Kiel ist Illustratorin, Buchautorin (Gender in Games) und Spielejournalistin, die auf dem Indie-Blog Superlevel.de regelmäßig eine Sex-Kolumne namens “Random Encounters” veröffentlicht. Im Gespräch fragten wir sie, woher diese oft undifferenzierte Abwehrhaltung der Spieler kommen mag, wenn es um das Thema Sexismus geht. “Dafür gibt es verschiedene Gründe”, glaubt Kiel. “Zunächst steht der kritische Diskurs um Sexismus und generell die politische Dimension von Spielen der bequemen Annahme entgegen, dass das Medium lediglich der Unterhaltung diene und ‘Spiele doch nur Spiele’ seien. Vielen Konsumenten scheint es extrem schwerzufallen, kritische Reflexion und Unterhaltung zu trennen und zu verstehen, dass man etwas durchaus genießen kann, auch wenn es in manchen Belangen kritikwürdig ist. Damit verknüpft ist auch die irrationale Angst, dass etwa ‘die Feministinnen’ das Medium kapern und es in ihrem Sinne umgestalten wollen – der traditionellen Spielerschaft also ihr geliebtes Spielzeug wegnehmen wollen.”
Kiel zufolge scheint auch nicht zuletzt schlicht die Aufgabe von Privilegien vielen männlichen Spielern sauer aufzustoßen. Videospiele und die dazugehörige Szene hätten lange als männliches Terrain gegolten. Nun forderten stets in der Szene präsente, aber lange unterrepräsentierte Menschen einen Platz in diesem ehemaligen “Boy’s Club” ein. Damit verbunden seien einige Zugeständnisse, die die ursprüngliche Zielgruppe bis dato nie machen musste. “Privilegien aufzugeben ist ein schmerzhafter Prozess”, ergänzt Kiel. “Weil damit ein Verlust von Macht und Sicherheit einhergeht und sich so schnell das Gefühl einstellen kann, dass man selbst in eine Minderheitenrolle gedrängt wird. Dabei ist das gar nicht der Fall.”
Es sei entscheidend, so Nina Kiel auf die Frage, wie man selbst Sexismus in Spielen begegnen sollte, dass man sich der problematischen Aspekte in einem Spiel überhaupt bewusst ist und eine diesbezügliche kritische Haltung zumindest anerkennt. Dieses Bewusstsein allerdings muss dem Genuss eines solchen Spiels keinesfalls entgegenstehen. Es sei grundsätzlich völlig okay und vor allem auch möglich, etwa sexistische Inhalte als unterhaltsam zu empfinden. Hier scheint sehr oft noch ein generelles Missverständnis zu bestehen, das die zum Teil heftigen Reaktionen auf den feministischen Diskurs erklären könnte. “Es geht nicht darum, solche Inhalte grundsätzlich aus dem Medium zu verbannen und ihre Konsumenten als Sexisten zu brandmarken, sondern darum, für die womöglich damit verknüpften Probleme zu sensibilisieren und mehr Alternativen zu schaffen”, führt Kiel aus.
[…]
Der vollständige Artikel kann hier gelesen werden:
http://www.pcgames.de/Spiele-Thema-239104/Specials/Sexismus-in-Spielen-1195988/
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10.03.2016
Pixelsex (“Progress”, Magazin der österreichischen HöchschülerInnenschaft)
Welche Wirkung zeigt Sex in Spielen?
Sex erfüllt in Spielen für gewöhnlich zweierlei Funktionen: In expliziteren Titeln hat er eine stimulierende Wirkung inne, zielt also darauf ab, die Spielenden durch die Darstellung von sexuellen Handlungen zu erregen. In solchen Spielen hingegen, die sich nicht vorwiegend um dieses Thema drehen, ist er meist ein zusätzlicher Reiz, eine nur am Rande auftretende Komponente, die etwa den Höhepunkt einer Beziehung mit einem anderen Charakter markieren soll. In diesen Fällen wird der Geschlechtsakt allenfalls subtil angedeutet.
Er spielt im Medium bzw. in der Branche aber noch eine weitere Rolle, nämlich die des Marketinginstruments. Sexuelle Andeutungen finden sich vor allem in Form leichtbekleideter weiblicher Charaktere auch in Spielen, die Geschlechtlichkeit in diesem Sinne gar nicht thematisieren und somit lediglich einen weiteren Kaufanreiz bieten sollen. Überdeutlich wird dieses Vorgehen auch beim Einsatz bikinitragender Hostessen auf Fachmessen oder in Werbeanzeigen, die sexuelle Reize versprechen, obwohl sie im beworbenen Produkt nicht vorhanden sind.
Welches emanzipatorische und Lernpotenzial liegt in ihnen?
In der Theorie bieten Spiele die Möglichkeit, über die Identifikation mit einer Spielfigur neue Rollen zu bekleiden und durch die interaktiven Komponenten Lerninhalte anschaulich zu vermitteln. Gerade im Aufklärungskontext dürfte das von großem Interesse sein, wenn Spiele angeboten würden, in denen sich junge Menschen selbstständig und so behutsam, wie eben gewünscht, an dieses Thema herantasten könnten. Oft scheitert die Aufklärung ja an einem akuten Schamgefühl oder an Fehlinformationen, die unreflektiert weitergegeben werden. Spiele sollten intime Gespräche im Familien- und Freudeskreis natürlich nicht ersetzen, sie könnten aber eine interessante Ergänzung dazu bieten.
Leider mangelt es allerdings an entsprechenden Titeln aktuell noch. Spiele, die Sex sachlich und unaufgeregt thematisieren oder auf einer persönlich-emotionalen Ebene schildern, gibt es relativ wenige. Bei einem Gros der Veröffentlichungen handelt es sich um interaktive Pornos, die ein völlig verzerrtes Bild von Intimität vermitteln, in dem der Mann* als Akteur und die Frau* für gewöhnlich als passives Spielzeug gezeichnet wird. Lediglich einige kleinere Studios und private Entwicklerinnen haben in den vergangenen Jahren hier und da Alternativen vorgestellt. Sie schildern etwa ihre sexuelle Erfahrungen als Trans*-Personen, weibliche Nerds oder schwule Männer und bieten damit eine Horizonterweiterung, die in den meisten Sexspielen ausbleibt.
Das einzige mir bekannte Spiel, das mit einer explizit aufklärerischen Absicht entwickelt wurde, ist “Happy Play Time”, das Mädchen und Frauen an das Thema Masturbation heranführen sollte. Leider wurde die App aber auf keiner der großen Online-Plattformen zugelassen, sowohl aus dem Apple App Store als auch auch aus dem Google Play Store wurde sie kurz nach der Veröffentlichung wieder entfernt.
Wie sieht es mit der Darstellung von Sex aus in Computer- und Videospielen?
(Diese Frage dürfte ja bereits durch die ersten beiden Absätze hinreichend beantwortet werden. Falls nicht, gehe ich gerne noch einmal intensiver darauf ein.)
Wie ist die Rollenverteilung der Sexpartner_innen bei expliziten Darstellungen?
Da sich Spiele im allgemeinen und Sexspiele im besonderen noch immer vorwiegend an heterosexuelle Männer richten, nehmen diese darin für gewöhnlich die aktiven Rollen ein. Ihre – meist nur angedeuteten – Identifikationsfiguren stehen einer oder mehreren Frauen gegenüber, die wiederum tendenziell passiv in Erscheinung treten und für sexuelle Handlungen “bereitgestellt” werden. Diese Frauen simulieren zwar manchmal eine gewisse Unnahbarkeit, entpuppen sich letztlich aber fast immer als willige Partnerinnen.
Auf die Spitze getrieben wird diese klare Rollenverteilung in den sogenannten “Poke the Doll”-Spielen, die ausschließlich nackte Frauen präsentieren, mit denen der Spieler* dann nach Belieben interagieren und sich der positiven Resonanz sicher sein kann – ganz gleich, wie ungeschickt er sich anstellt.
Und welche Rolle spielt Zensur?
Zensur ist gerade im US-amerikanischen Raum ein großes Thema, da seit jeher sexuelle Inhalte weitaus strenger bewertet werden als etwa Gewaltdarstellungen. Das “Entertainment Software Rating Board” stuft vor allem solche Spiele als nur für Erwachsene geeignet ein, die deutlich erotische bis pornografische Inhalte aufweisen. Weil dieses “Adults Only”-Rating drastische Einschränkungen bei der Vermarktung und dem Verkauf zur Folge hat – und deshalb inoffiziell als “kiss of death” bezeichnet wird – achten viele Entwickler und Vertriebe penibel darauf, den Sexanteil in ihren Spielen auf ein Minimum zu reduzieren. Interessanterweise werden aber nicht nur unmittelbar zugängliche Inhalte in die Bewertung einbezogen, sondern auch solche, die im Programmcode oder in den Ressourcen des Spiels verborgen liegen. Als etwa eine Modderin einen Nacktpatch für “The Elder Scrolls: Oblivion” erstellte, wurde Entwickler Bethesda dafür mitverantwortlich gemacht, weil die entsprechenden Texturen bei der Installation auf der Festplatte abgelegt wurden – obwohl die Charaktere im Spiel selbst nie nackt zu sehen sind. Die Folge war eine Neueinstufung des Spiels, das nun laut dem “ESRB” nicht mehr für eine “Teen”-, sondern nur noch für eine “Mature”-Zielgruppe geeignet war.
Dieser bisweilen prüde Umgang mit sexuellen Inhalten beschränkt sich aber nicht nur auf Nordamerika. Gerade deshalb, weil viele der größten Vertriebsplattformen – allen voran Steam – und Entwicklerstudios dort ansässig sind, betrifft der strenge Umgang mit Sex Spielende auf der ganzen Welt. In der Konsequenz werden sämtliche entsprechend gelagerte Titel in eine streng separierte “Porno”-Nische gedrängt, unabhängig von den konkreten Inhalten und der dahinterstehenden Intention.
Sind Videospiele neben emanzipatorischen Potenzialen besonders gefährdet Vergewaltigungen und sexualisierte Gewalt darzustellen und dazu zu animieren?
Die Darstellung gewaltsam herbeigeführter sexueller Akte ist in Spielen tatsächlich relativ gängig, und das nicht nur in dezidiert pornografischen. Auch in vielen frei verkäuflichen Titeln werden sexualisierte Gewalt und Vergewaltigungen thematisiert, allerdings meist oberflächlich und lediglich mit der Absicht, die “erwachsene” und “düstere” Außenwirkung eines Spiels zu intensivieren. Dieses Vorgehen ist vor allem kritikwürdig, weil die Konsequenzen dieser Taten generell selten und noch seltener aus Sicht der Opfer geschildert werden und Vergewaltigungen damit zum bloßen Stilmittel degradiert werden.
Eine Erotisierung entsprechender Akte findet ebenfalls statt, insbesondere in pornografischen Spielen aus dem japanischen Raum. Sexualdelikte werden darin stimulierend inszeniert und als erstrebenswert dargestellt – oft sogar für die Vergewaltigten, die den “Sex” letztlich doch genießen und ihren Orgasmus fast überbetonen, um dem Täter zu vermitteln: “Eigentlich hast du mich nur zu etwas “überredet”, das ich mir insgeheim immer schon wünschte”.
Wenngleich der häufige Konsum solcher Darstellungen potenziell eine Desensibilisierung zur Folge haben kann – gerade, weil sexualisierte Gewalt auch darüber hinaus in unserer Gesellschaft und insbesondere in der Werbung immer wieder ästhetisiert wird – rate ich dazu, vorsichtige Schlüsse zu ziehen. Denn erstens ist nicht hinlänglich belegt, dass Spiele zur Nachahmung in diesem Sinne animieren können und zweitens bieten sie potenziell eine Katalysatorfunktion. Wer entsprechende Fantasien hegt, kann sie im virtuellen Raum ausleben, ohne jemandem direkt zu schaden und das trägt womöglich sogar dazu bei, solche Taten zu verhindern.
Als Problem zu bezeichnen ist aus meiner Sicht daher vor allem die mittlerweile riesige Auswahl an Spielen mit einem solchen Themenfokus und ihre Präsenz fernab dezidierter Nischen. Sexualisierte Gewalt läuft dadurch Gefahr, normalisiert zu werden.
Spieler_innen entwicklen für Spiele Sex-Mods um ihnen den fehlende Sex(ualität) zu geben. Bei den Sims wurden zB Mods für Teenager-Sex, aber auch Schwangerschaft bei Männern_ und Abtreibungskliniken gemacht. Inwiefern programmieren sich Spieler_innen ihren eigenen (verantwortungsvollen) Sex in Spielen? Müssen die Spieleentwickler_innen noch ran? Und wenn ja warum?
Nackt- und Sex-Mods sind extrem weit verbreitet und meiner Auffassung nach eine direkte Konsequenz des von offizieller Seite zurückhaltenden Umgangs mit Sexualität. Explizite, ungewöhnliche, ausgereifte Darstellungen von Sex gibt es ganz besonders im AAA-Bereich so gut wie keine. Stattdessen werden Nacktheit und Geschlechtlichkeit als Köder genutzt, um potenzielle Käufer anzulocken, jedoch liefern sie ganz bewusst nie die versprochene Befriedigung, schließlich würden sie andernfalls nicht derart effektiv als Lockmittel funktionieren.
Fügt man jedoch explizite Inhalte per Mod nachträglich in einen Rahmen ein, der dafür nicht konzipiert wurde, wirken sie meist deplatziert, wenn nicht gar grotesk. Und damit erfüllen auch sie nicht die Hoffnung, die zu ihrer Erstellung geführt hat.
Ändern kann sich daran nur etwas, wenn das Medium Spiel endlich einen offeneren Umgang mit sexuellen Inhalten zulässt – ganz besonders, wenn sie sinnvoll in einen erzählerischen Kontext eingebunden werden. Je mehr Spieleentwickler_innen sich dieser Herausforderung annehmen, desto besser. Ohne ein Umdenken in der Industrie und unserer Gesellschaft wird dieser Wandel aber nicht möglich sein. Solange Sexualität als Zensurgrund gilt, kann dieses Thema auch nicht eingehend interaktiv erforscht werden.
Welche Besonderheit macht das Spiel “Cibele” zum Thema Sex in Spielen aus?
“Cibele” schildert das Thema Sex aus der Perspektive einer jungen Frau und auf eine Weise, die nicht darauf abzielt, erotisch bzw. stimulierend zu wirken. Im Spiel erzählt Entwicklerin Nina Freeman von ihrer ersten großen Liebe, die sich vor Jahren in einem MMORPG (Massively Multiplayer Online Roleplaying Game) entwickelte und schließlich zu ihrem ersten sexuellen Kontakt führte. Durch den persönlichen Bezug gewährt die Geschichte Einblicke in das Gefühls- und Sexualleben eines jungen Menschen und ist damit ein Novum, denn für gewöhnlich fokussieren sich Sexspiele ausschließlich auf den Akt selbst und bieten allenfalls einen rudimentären Kontext. Bei “Cibele” verhält es sich genau umgekehrt.
Durch die Sexmods gelangen pornografische Spielinhalte auf Pornhub o.ä. Seiten, da die Benutzungsbedingungen von zB Youtube zu streng bzgl der Darstellung von Sex und Nacktheit ist. Wird Sex wieder in die Porno-Nische gedrängt?
Sex als Akt definitiv, lediglich als (meist für heterosexuelle Männer konzipierte) Andeutung umgibt er uns überall und dient damit als Fassade einer vermeintlich liberalen Gesellschaft.
Eventuell haben Sie sich auch mit den Sims auseinandergesetzt? Bzw mit Spielen, die progressiv mit Sex umgehen?
“Die Sims” stellen ein besonders gutes Beispiel dafür dar, wie alles Körperliche vorauseilend zensiert wird. In der Reihe sind selbst die nackten Körper der duschenden Hausbewohner_innen verpixelt, obwohl ihnen in diesem alltäglichen Prozess überhaupt nichts erotisches innewohnt. Bloße Nacktheit, ganz gleich in welchem Zusammenhang, wird damit zwangssexualisiert und ein lockerer Umgang damit erschwert – dabei könnte gerade eine Spielereihe wie diese zu mehr Normalität beitragen.
Dass Sex nicht gezeigt wird, ist hingegen insofern plausibel, als dass die Zielgruppe eine gerade im Hinblick auf ihr Alter sehr breitgefächerte ist. Nur übertreibt man es meines Erachtens mit der kindgerechten Darstellung, wenn man es noch nicht einmal wagt, den Geschlechtsverkehr als solchen oder als Liebesakt zu bezeichnen, sondern ihn völlig verschämt “WooHoo” nennt. Kann man Sex weder zeigen noch entsprechend benennen, wäre es vielleicht besser, ganz darauf zu verzichten.
Dass ersteres an sich möglich ist, auch ohne ins Pornografische abzugleiten, haben in den vergangenen Jahren mehrere Spiele unter Beweis gestellt. Viele davon habe ich im Rahmen meiner Sexspielkolumne auf Superlevel.de vorgestellt, die im Zweiwochentakt aktualisiert wird. Wer sich für dasThema interessiert, wird dort bestimmt fündig.
Wie sind Sie auf das Thema gekommen?
Da ich bereits seit einigen Jahren die Darstellung von Geschlecht in Video- und Computerspielen erforsche, lag die Entscheidung nahe, meinen Fokus zu erweitern und auch den Sex einzubeziehen, denn der ist im Medium omnipräsent und gleichzeitig nie wirklich zu sehen. Da das Thema außerdem bislang kaum eingehender behandelt wurde, habe ich meine Recherche intensiviert und arbeite derzeit an einem Buch, das sich ausschließlich damit befassen wird.
Warum ist es wichtig sich dem Thema Sex in Video- und Computerspielen zu widmen?
Gerade im digitalen Spiel wird Sex vorwiegend als Konsumgut und Belohnung für erfolgreich absolvierte Aufgaben dargestellt: Sei freundlich zu der Frau und sie wird dir Sex “schenken”. Rette ihr Dorf vor einer Bedrohung und sie wird es dir mit ihrem nackten Körper danken. Diese Einseitigkeit ist nicht nur langweilig, sondern auch problematisch, weil sie falsche Vorstellungen von zwischenmenschlicher Intimität vermittelt, dabei wenig erfüllend ist, eine sehr eng gefasste Zielgruppe anspricht und mit ihr alte Geschlechterstereotype bedient.
Gerade dieses Medium ist aufgrund seiner Interaktivität eine besonders spannende Plattform für pornografische wie aufklärerische, emotionale und horizonterweiternde Sex-Experimente, aber dieses Potenzial wird erst langsam genutzt – auch, weil es unglaublich schwierig ist, etwas so komplexes wie Sex auf wenige Eingabemöglichkeiten herunterzubrechen. Wenn sich Forscher_innen wie Entwickler_innen aber weiterhin eingehend damit befassen, wird es zweifellos möglich sein, neue, interessante Konzepte zu erarbeiten und damit ganz wesentlich zu einem unaufgeregteren Umgang mit Sex beizutragen.
Das Interview hat Lukas Kitzenmüller vom “Progress”, dem Magazin der österreichischen HöchschülerInnenschaft mit mir geführt. Den dazugehörigen Artikel kann man hier nachlesen: Pixelsex
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08.08.2015
Frauen und Games – Von Baller-Babes und Messe-Deko (DRadio Wissen)
Der Games-Markt ist längst keine reine Jungsveranstaltung mehr. Die Spielehersteller tun aber so. Jedenfalls sind sie ganz groß im Reproduzieren von gängigen Klischees. Schade.
Nina Kiel spielt seit früher Kindheit Videospiele. Als sie später mit dem Feminismus in Kontakt kam, hatte sie die Idee, beides zu verbinden. Sie ist studierte Designerin, mit dem Schwerpunkt Illustration. Und aus ihrer Abschlussarbeit an der Uni ist ein Buch entstanden: “Gender in Games”. Nina sagt: Frauen treten zwar häufiger als früher in tragenden Rollen in Spielen auf, aber in ihrer Darstellung sind sie eingeschränkter als Männer. Also müssen sie sich mit dem begnügen, was geboten wird, und da gib es ein Problem.
Hier kann man das Interview in voller Länge hören:
http://dradiowissen.de/beitrag/gender-frauen-in-videospielen
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19.05.2015
NDR-Kulturforum – “Talking Games”
“Jeden Tag geht Angel für mehrere Stunden online und streamt Computerspiele. Ihre Community schaut ihr dabei zu und chattet mit ihr. Angel antwortet per Webcam. Die junge Gamerin versteht ihren Kanal nicht nur als Unterhaltungsplattform, die ihren Lebensunterhalt sichert, sondern auch als Diskussionsforum.
Elektronische Spiele sind aber für die Streamerin nicht nur bloßer Zeitvertreib. Sie kommentieren zudem gesellschaftliche Entwicklungen, formulieren moralische Probleme, machen Spieler zu Komponisten und Geschichtenerzählern und helfen ihnen, die Kunst des Scheiterns zu erlernen.”
In diesem Radiofeature enthalten sind diverse Auszüge aus einem Interview, das der Autor mit mir geführt hat. Sie können es hier anhören.
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19.04.2015
Games’n’Politics – “Sex in Videospielen – Gewalt erlaubt! Nacktheit verboten!”
Mit Michael Schulze von Glaßer sprach ich über Sex in Videospielen und die unterschiedliche Bewertung von Gewalt und Nacktheit in diesem Medium:
Penis! Vagina! Zwei Dinge, die man in Videospielen normalerweise nicht sieht – und schon gar nicht, wenn sich beide vereinen. Sex wird heute in kaum einem Videospiel dargestellt. Und wenn dies doch geschieht, dann laufen die Spiel-Entwickler Gefahr, dass ihrem Spiel gängige Vertriebswege verwehrt bleiben. Die Darstellung von Gewalt in Videospielen ist heute hingegen kaum noch ein Problem: egal ob Leuten die Köpfe weggeschossen oder ihnen ein Metal-Haken ins Gesicht gerammt wird, solche Spiele werden frei vertrieben. Mit diesem “Sex & Violence”-Ungleichgewicht beschäftige ich mich im neuesten “Games and Politics”-Video! Als Expertin für das Thema “Sex in Videospielen” habe ich dazu die Buchautorin Nina Kiel interviewt.
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Frau-TV – “Frauen und Computerspiele – Wir verändern die Games-Welt”
“Helden in Videospielen sind meist männlich – kämpferisch, muskulös und immer aufs Siegen aus. Frauen spielen darin eine Nebenrolle. Und in dieser sind sie meist nervig oder naiv, oder aber übernatürlich schön und sexy. Doch immer mehr Frauen spielen Computerspiele und haben die gängigen Klischees darin satt. Sie wollen auch bei Entwicklung und Gestaltung der Spiele mitmischen und einiges anders machen als ihre männlichen Kollegen. frauTV stellt drei Frauen vor, die die Welt der Games verändern wollen.”
Ich war – neben Lea Schönfelder und Prof. Linda Breitlauch – eine der drei Frauen, die interviewt wurden. Den Beitrag kann man sich hier ansehen:
Frau TV – “Frauen und Computerspiele”
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12.03.2015
Die Frauensicht auf die Spielkonsole – Gender in Games
Opfer, Trophäe oder Sexobjekt: Frauen nehmen in Videospielen oft klischeehafte Rollen ein. Warum eigentlich?
Das Dekolleté tragen sie halboffen, die Hosen sind kurz, die Absätze hoch. Frauenfiguren sind in Videospielen oft leicht bekleidet – und ziemlich unterwürfig. Mal sind sie Opfer, mal Sexobjekt. Da bleibt kaum Platz für ausgewogene, komplexe Darstellungen. Nina Kiel seziert diese Stereotype in ihrem Buch „Gender in Games“. Die Illustratorin aus Düsseldorf entwickelt in ihrer Freizeit auch Videospiele – mit ausgeglichenem Geschlechterverhältnis.
Welche Rollen nehmen Frauen denn in Videospielen ein?
Klassischerweise werden Frauen in passiven Rollen dargestellt. Sie können Opfer sein, Trophäen oder auch mögliche Romantikoptionen. Sie selbst handeln aber seltener als Männer. Sie sind seltener Hauptfiguren oder in der Rolle, Konflikte zu bestreiten und zu lösen. Eine Ausnahme sind die „Beat ’em ups“. Bei diesen Prügelspiele treten Frauen als gleichberechtigte Kontrahenten auf. Allerdings zeigt sich auch da eine stark sexualisierte Darstellung von Weiblichkeit.
Aber Darstellungen dürfen doch erotisch sein.
Ja, ich habe auch gegen Erotik und Sexualität gar nichts einzuwenden. Das Problem ist nur, dass Weiblichkeit mit Erotik gleichgesetzt wird. Dass es weniger andere Entwürfe gibt, mit denen man konfrontiert wird oder in denen man sich wiederfinden kann.
Gibt es einen Wandel in den Stereotypen?
Es zeichnet sich auf jeden Fall ein Wandel zum Positiven ab, was die Rolle der Frau im Computerspiel betrifft. Es gibt mehr Frauen in handelnden Positionen, mehr Nebenrollen, die nicht nur eine unterstützende Funktion erfüllen. Sie sind vollwertige Personen. Es zeichnet sich aber gleichzeitig ein neues Stereotyp ab, das der tragischen Heldin. Diese Wandlung hat auch Lara Croft durchgemacht. Die anfangs unverletzliche Actionheldin ist jetzt eine Figur, die viel Tragisches erlebt hat. Das ist ein neues Stereotyp: Die Frau, die erst gebrochen werden muss, um über sich hinauszuwachsen.
Fast die Hälfte der Konsumenten vor den Spielkonsolen sind Frauen. Warum verändern sich die Darstellungen denn nicht?
Viele Entwickler sind bereits seit Jahren und Jahrzehnten im Geschäft. Es fällt ihnen schwer, umzudisponieren. Außerdem gibt es immer noch die Annahme, dass heterosexuelle männliche Konsumenten die Szene dominieren – obwohl das Statistiken widerlegen. Aber es gibt auch fortschrittliche Darstellungen im Indie-Bereich. Ein interessantes Beispiel war der Titel No Male Heroes, der die Geschlechterverhältnisse umdreht. Das heißt, der Mann in der Hauptrolle ist Teil einer Minderheit, die für den Haushalt zuständig ist, deren Stimme nicht gehört wird.
Stereotype gibt es doch für Männer genauso – der Muskelprotz, der Tapfere, der Brutale?
Ja, allerdings halte ich es für problematisch, die Stereotype von Männern und Frauen gegeneinander aufzuwiegen, denn es sind andere. Männer werden extrem überzeichnet und als Akteure dargestellt. Frauen werden dagegen in passive Rollen gedrängt. Sie müssen schön sein, hilflos. Männer werden eher darin bestärkt, zu handeln und stark zu sein, Frauen dagegen erfahren das Gegenteil.
Im Netz sorgte „Gamer Gate“ vor wenigen Wochen für Aufsehen: eine Hetzkampagne gegen Frauen, die sexistische Darstellungen in Videospielen kritisierten. Ihnen wurde sogar mit Vergewaltigung und Mord gedroht.
Insgesamt habe ich festgestellt, dass eine Angst um die Gameridentität besteht. Viele Leute fürchten, sie könnten sich nicht mehr mit ihrem Hobby identifizieren, sie würden mit einer Art Zensur konfrontiert. Diese unglaubliche Angst richtet sich gegen fortschrittliche Stimmen. Und führt zu völlig unverhältnismäßiger Aggression.
Was würden Sie denn Männern sagen, die fürchten, dass vielfältigere Darstellungen Computerspiele langweiliger, braver, unattraktiver machen?
Ich würde ihnen beruhigend entgegenhalten: Es geht ja nicht darum, bisherige Darstellungen komplett aus dem Medium zu verbannen. Erotische, sexualisierte Darstellungen können ja ruhig weiter gezeigt werden – wenn es Alternativen gibt.
Das Interview führte Elsbeth Föger vom Aus- und Fortbildungskanal M94.5.
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07.03.2015
taz – Die Sonderausgabe zum Weltfrauentag
Anlässlich des Weltfrauentages lud die taz Frauen und Männer nach Berlin ein, um sich über relevante Themen im Geschlechterkontext auszutauschen. Ich nahm an der Diskussion über “soziale Medien” Teil, die auszugsweise online sowie in der gedruckten Ausgabe veröffentlicht wurde.
Nina Kiel ist von Düsseldorf nach Berlin angereist – und mit einer heftigen Erkältung direkt ins Hotelbett gefallen. In einer der hässlichsten Städte Deutschlands aufwachsend, sagt sie, habe sie schnell die Vorzüge virtueller Abenteuer erkannt. Sie schreibt Spielerezensionen, ist am Morgen trotz heftigen Schnupfens als Erste da. Francesca Schmidt bloggt unter anderem auf queer-o-mat.de – und lacht, als Anne Wizorek dazukommt, die Initiatorin von #aufschrei. Die beiden haben sich zufällig schon am Vorabend auf einer Feier kennengelernt.
Frau Wizorek, wo im Netz bewegen Sie sich am liebsten?
Anne Wizorek: Bei Tumblr, der Blogging-Plattform, mit der man Bilder, Videos, Zitate, alles mögliche hochladen kann. Da sieht man gut, wie sich feministische Themen und Popkultur miteinander verbinden lassen. Wir müssen nicht immer superakademische Texte lesen, manchmal reicht eine Illustration. Und es begegnet mir dort null Hass.
Unter dem Hashtag #gamergate läuft seit Monaten eine Hetzkampagne gegen Frauen, die sexistische Darstellungen in Videospielen anprangern. Warum, glauben Sie, sind die Reaktionen so heftig?
Nina Kiel: Das hängt mit der klassischen Gamer-Identität zusammen. Die Spieler waren bisher überwiegend heterosexuell, männlich, weiß, und das wird langsam aufgebrochen. Viele sind ernsthaft besorgt, dass man ihnen ihr Spielzeug wegnimmt oder etwas zensieren will.
Wizorek: Die Heftigkeit beim Gamergate ist eine neue Dimension, man kann schon von Onlineterrorismus sprechen. Wir müssen wegkommen von der Formel: Das passiert nur im Internet und ist keine echte Gewalt.
13.26 Uhr: Die Fotografin will, dass Natalie Rosenke, die in der Runde davor Körperideale infrage gestellt hat, ihre Schiebermütze abnimmt. Sie sagt: “No chance, höchstens anlupfen.”
Es wurden private Dokumente bei Gamergate veröffentlicht, Kritikerinnen bedroht.
Kiel: Die irrationale Angst, dass Privilegien weggenommen werden, ist das große Problem. Sie sorgt dafür, dass die Leute sehr aggressiv reagieren. Es findet keine wirkliche Auseinandersetzung mit Kritik statt, es wird sofort zugeschnappt. Einzelne Menschen werden dämonisiert, wie Anita Sarkeesian …
… eine feministische Bloggerin, die sich mit der Darstellung von Frauen in Computerspielen beschäftigt.
Kiel: Oder Zoe Quinn, eine amerikanische Entwicklerin. Sie wurde zum ersten Ziel von Gamergate. Ihr wurde unterstellt, sich eine positive Rezension erschlafen zu haben. Das wurde zwar schnell widerlegt, aber das Gerücht hält sich. Daraus entstand diese riesige Bewegung, die immer mehr Frauen mit ähnlichen Vorwürfen ins Visier nimmt.
Das letzte Aufbäumen einer hegemonialen Männlichkeit?
Francesca Schmidt: Schön wär’s!
Kiel: Der kulturelle Wandel ist gerade im Spielebereich nicht aufzuhalten. Es gibt da genug Frauen, die Attacken zum Opfer fallen, sich aber nichts vorschreiben lassen und weitermachen.
Gibt es denn netzspezifische Gewaltformen?
Schmidt: Ja, gibt es. Wenn man selbst betroffen ist, ist das relativ schnell klar. Aber es muss noch gesellschaftlich ausgehandelt werden, was in diesem Bereich Gewalt ist. Bei unschönen Kommentaren unter Zeitungsartikeln würde ich nicht zwangsläufig von Gewalt sprechen.
Wizorek: Im Zuge des Pegida-Klimas haben die Community-Management-Leute vieler Zeitungen quasi zurückgetrollt. Wenn ich das als Einzelperson mache, wird mir allerdings vorgeworfen, dass ich nicht auf alle Meinungen eingehe. Ich werde schon kritisiert, wenn ich einfach nur Leute blocke.
Schmidt: Es gibt Kommunikation im Netz, die wesentlich gewaltvoller ist. Wo man sich auch nicht einfach rausziehen kann, indem man beispielsweise keine Kommentare mehr liest. Es geht dabei auch nicht ausschließlich um Frauen.
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20.06.2014
IM1026: Buch “Gender In Games”
Ich war erneut beim Spielepodcast “Insert Moin” zu Gast – diesmal, um mein Buch vorzustellen:
“Unsere Superlevel-Nina (@Beurkeek) hat ein Buch geschrieben: Gender in Games – Geschlechtsspezifische Rollenbilder in zeitgenössischen Action-Adventures. Es basiert in großen Teilen auf ihrer Uni-Abschlussarbeit, in der sie analysiert hat, wie Frauen-Rollenbilder in populären Videospielen dargestellt werden.
Im Podcast bei Daniel erklärt Nina, wie sie auf die Idee zu Ihre Abschlussarbeit kam und wie die Prüfer auf die Idee reagiert haben. Außerdem spricht sie darüber, wie es schlussendlich zur Buchveröffentlichung kam und warum sie das Thema von Gender in Games für so wichtig erachtet – aber auch, woher der sehr stolze Preis von fast 80 Euro herrührt.”
Die Episode kann man hier anhören: http://insertmoin.de/im1026-buch-gender-in-games/
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IM779: E3, Messebabes & der Dialog
“Was wäre eine Videospielmesse ohne hübsche Damen in aufreizender Kleidung, die sich an den Ständen räkeln?”, fragte die PC Games ihre Leser. “Im Wesentlichen: eine Videospielmesse”, antwortete Superlevel. Um über diesen Gegensatz zu diskutieren, hat sich Daniel die Chefredakteurin der PC Games, Petra Fröhlich (@ODuFroehliche), und Nina Kiel (@Beurkeek), die Verfasserin des besagten Superlevel-Artikels, eingeladen.
Gehören knapp bekleidete Damen zu einer Spielemesse einfach dazu? Sind sie eine harmlose Show-Unterhaltung oder spiegeln sie den Sexismus einer ganzen Branche wider? Ist die Tatsache, dass die großen deutschen Gamesmagazine die Frauen dann auf ihren Webseiten in Klickgalerien präsentieren, einfach eine Dokumentation des Messebetriebes oder Voyeurismus für eine minderjährigen Zielgruppe? Über diese Fragen debattieren Petra, Nina und Daniel im Podcast.
Anbei der Link: http://insertmoin.de/im779-e3-messebabes-der-dialog/