September 2014 archive
Robots
Visitenkartendesign für den Spielejournalisten Dennis Kogel.
Airplane
Bauernhof
Crawl
Ein Kernelement der buddhistischen Lehre ist der Kreislauf des Lebens, eine ständige Abfolge von Tod und Geburt. Alle Geschöpfe unterliegen seiner Wirkung, jedes Dasein ist demnach befristet, wenn auch von unterschiedlicher Dauer. Dem Glauben nach werden Lebewesen durch ihr Karma an diesen Lauf der Dinge gebunden, also durch die Summe ihrer Taten, Gedanken, Gefühle und Begierden. Da das höchste Ziel des Buddhismus, das Verlassen dieses Kreislaufs durch die Erleuchtung, in einem Leben gemeinhin nicht zu erreichen ist, liegt der Fokus vieler Buddhisten darauf, möglichst viel gutes Karma zu sammeln und demnach überwiegend positive Spuren in der Welt zu hinterlassen.
In Crawl wird dieses hehre Prinzip einfach über den Haufen geworfen. Hier bestehen die Spuren ausschließlich aus Blut und alle Beteiligten springen einander möglichst effizient an die Gurgeln, um den Kreislauf des Lebens drastisch zu beschleunigen. Denn in dem Dungeoncrawler gilt es vor allem, den jeweils umherflanierenden Entdecker möglichst schnell seiner irdischen Existenz zu berauben, um dessen Position zu bekleiden. Bis zu drei Spieler_innen können hierzu die Rolle von Geistern einnehmen, die die Hauptfigur immerzu verfolgen und ihr durch das Besitzergreifen von Fallen oder Monstern das Leben zur Hölle machen. Das Resultat ist ein ständiger Wechsel zwischen Jägern und Gejagten, der genretypische Aktionen wie das Aufleveln und Bergen von Schätzen ungleich schwerer und vor allem chaotischer gestaltet.
S
Als Kasimir Malewitsch 1913 sein schwarzes Quadrat malte, strebte er nicht weniger als die Befreiung der Kunst von der Gegenständlichkeit an. Und zugleich den Ausdruck von Empfindungen, die sich in dieser geometrischen Form manifestieren sollten, in der Abgrenzung zum Nichts der weißen Leinwand.
In Jóhannes G. Þorsteinssons und Kyle Halladays S wird die blanke Fläche nun zum Raum, in dem sich abstrakte Felsformationen nur durch Schatten abzeichnen, in der das Wasser als einzige organische Komponente in einer kargen Landschaft Leben allenfalls andeutet, und das Quadrat zu meiner einzigen Interaktionsmöglichkeit. Mit einem Druck auf die linke Maustaste kann ich es aus dem Nichts erschaffen und allmählich wachsen lassen, mit der zeitgleichen Betätigung der rechten Maustaste werfen. Durch die geschickte Platzierung der nun greifbaren Form auf Podesten können Portale aktiviert werden, die bisher unerforschte Gebiete zugänglich machen.
Chronology
Der Wunsch des Menschen, Ereignisse ungeschehen machen zu können, ist so alt wie die Menschheit selbst. So alt wie der Furz beim Fernsehabend, vergessene Hosen und die deplatzierte Pasta in den Gesichtern geneigter Candlelightdinnerteilnehmer. Was wäre, wenn die Möglichkeit bestünde, einfach die Zeit zu durchreisen und so Einfluss zu nehmen auf bereits Geschehenes, ist eine häufig gestellte Frage, die nun Chronology aus der Sicht eines gescheiterten Erfinders beantwortet.
Eben jener nämlich erwacht inmitten eines riesigen Kraters in einer ausgesprochen unwirtlichen Umgebung, die ihm fremd zu sein scheint. Erst nach und nach kehren Erinnerungsfragmente an seinen Werdegang und damit jene Geschehnisse zurück, die der Verwandlung der einst dicht besiedelten und bunten Region in eine düstere, ruinengespickte Waldlandschaft vorangingen. Angestoßen wird dieser Prozess durch den Fund einer Uhr, die sich als verloren geglaubte Erfindung des Protagonisten und Zeitmaschine entpuppt. Fortan zwischen der gegenwärtigen Zeitebene und der prosperierenden Vergangenheit ständig hin- und herwechselnd, ebnet sich der Greis seinen Weg.
Year Walk
Ich liebe Schnee. Schon als Kind konnte ich es kaum erwarten, die ersten, weichen Flocken am Himmel auszumachen und zu beobachten, wie sich sich allmählich auf dem Boden zu einem dichten Teppich verwoben, der sich sanft über die Landschaft legte und allen Schmutz, allen Lärm verdeckte. Dem nur ein leises Knarzen zu entlocken war, während ich Schritt um Schritt meine nun magisch verwandelte Nachbarschaft erkundete und dabei die eisige Winterluft einatmete.
Dieses Knarzen ist es, das mir Year Walk seltsam vertraut erscheinen lässt. Es ist mein einziger, treuer Begleiter in jenem verschneiten Wald, in dem ich mich gleich zu Beginn des Spiels wiederfinde. Als Protagonist mit unkonkreter Biografie, aber offenkundig gebrochenem Herzen, beschließe ich, den Jahreswechsel mit einer alten schwedischen Tradition zu begehen, um den alten Überlieferungen zufolge einen Blick in die Zukunft erhaschen zu können. Der namensgebende “Year Walk”, so will es die Legende, erfordert den Rückzug in eine einsame Hütte, von der aus der Wanderer seinen Weg durch den nächtlichen Wald zur Kirche seines Heimatdorfes bestreiten muss – ein Unterfangen, das nur an wenigen Tagen im Jahr möglich ist und einen vierundzwanzigstündigen Verzicht auf Licht und Nahrung voraussetzt. So laufe ich zunächst ziellos umher, während Entzug und Isolation ihren Tribut fordern: Peu à peu verändert sich die Landschaft um Details, wird das Geräusch meiner Schritte begleitet von einer irrealen Klangkulisse aus sanft erklingender Musik und akustischen Signalen, die ich nicht zu deuten weiß. Bald darauf erscheinen mir mystische Gestalten, deren Absichten sie mir nicht eröffnen und denen ich dennoch bereitwillig folge, in der Hoffnung, das sie mir den richtigen Weg weisen, anstatt mich in die Irre zu führen.
Fort McMoney
Dichter Qualm dringt aus den riesigen Schloten der Raffinerien, kriecht zäh über die Minen hinweg. Nicht weit davon entfernt reihen sich die Baracken der Arbeitercamps aneinander, ebenso wie die klotzartigen Wohn- und Geschäftshäuser im Stadtkern, die von starr verlaufenden Straßenzügen umrahmt werden. Mittendrin ein Wellblechverschlag, daran ein Schild mit der Aufschrift „Centre of Hope“. Die kanadische Stadt Fort McMurray wirkt auf den ersten Blick wenig einladend. Und doch kostet ein Haus dort im Schnitt 1.500.000 Dollar.
Die interaktive Dokumentation Fort McMoney gestattet einen tiefen Einblick in eine Region, die über das drittgrößte Ölsandvorkommen der Welt verfügt und deshalb Menschen und Großkonzerne magisch anzieht. Deren Einwohner mindestens 180.000 Dollar im Jahr verdienen und trotzdem auf Sozialleistungen angewiesen sind, da die Preise ebenso in die Höhe schnellen wie die Gehälter. In einer Stadt, in der selbst Pfandsammler mehrere Tausend Dollar im Monat einnehmen, stellt sich die Frage nach dem tatsächlichen Wert des vielen Geldes – und danach, ob bloße Profitmaximierung drastische Eingriffe in das ökologische Gleichgewicht rechtfertigt.
Samurai Gunn
Langsam sinkt sie hinab, die glühende Sonne, und taucht alles in ein blutiges Rot. Das kalte Metall wiegt schwer in meinen Händen. Mein Kontrahent verzieht keine Miene, auch er umklammert den Griff seines Schwertes und harrt geduldig aus. Seit Stunden schon, so scheint es. Das Zirpen der Zikaden wird beständig lauter, hallt durch meinen Kopf, gerät mehr und mehr zu einem treibenden Rhythmus. Dann, plötzlich: Ein Zucken, ein Rascheln – und mein Widersacher nur noch eine Armlänge entfernt. Noch im gleichen Augenblick ziehe ich mein Schwert, hole aus und… tränke das Feld mit dem roten Blut meines nunmehr kopflosen Gegenübers, während die Sonne und mit ihr das gleißende Licht hinter dem Horizont verschwindet.
Samurai Gunn weckt Erinnerungen an meine frühe Jugend, in der ich etwa 87,5 Prozent meiner Freizeit vor einem großen, schwarzen Röhrenfernseher vebrachte. Dessen Besitzer erkannte in meiner Begeisterung für japanische Animationsserien wohl ein gewisses Potenzial für innerfamiliäre Interessensüberschneidungen, und zückte eine VHS-Kassette: „Okami – Das Schwert der Rache“. Neben fliegenden Köpfen und meiner tobenden Mutter brauchte es nicht viel mehr, um mich von den Vorzügen der Samurai-Filme zu überzeugen, also schaute ich mit meinem Vater mehr als nur einmal dem Protagonisten dabei zu, wie er dank der Hilfe seines kleinen Sohnes und eines waffengespickten Kinderwagens im Laufe seines Rachefeldzugs so manchen Gegner kunstvoll enthauptete.